Social media verändert den kunstmarkt: wie berliner galerien den digitalen wandel meistern

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Der Kunstmarkt wandert ins Netz. Wer erhöht dadurch seine Reichweite – und wer bleibt unsichtbar? Ein Richtungsstreit um die Zukunft der Kunstwelt ist entbrannt. Von Lisa Maria Scharf Als


über die Berliner Galerie Jarmuschek + Partner im vergangenen Jahr ein kurzes Video auf Instagram veröffentlicht wurde, löste es eine Welle aus: Innerhalb weniger Stunden erreichte der Clip


zur Keramikkünstlerin Helena Hafemann etwa 2,2 Millionen Aufrufe und erhielt über 156.000 Likes. Gleichzeitig erhielt die Galerie sehr viele Kaufanfragen. „Das war bis dahin für die Galerie


völlig neu und irre“, erinnert sich Galerist Kristian Jarmuschek. Der virale Erfolg zeigte, wie stark digitale Kanäle Nachfrage schaffen können – aber auch, wie sehr sich die Wahrnehmung von


Kunst in der digitalen Welt wandelt. Viele Nutzer sehen in den Werken eher Design- oder Lifestyle-Produkte als klassische Sammlerstücke. Jarmuscheks Galerie in Berlin-Mitte steht


exemplarisch für eine zunehmende Offenheit vieler Berliner Galerien gegenüber digitalen Strategien. Gemeinsam mit seinem Organisationsbüro Positions Berlin ist der Galerist auch


verantwortlich für mehrere etablierte Kunstmessen – und unter anderem für die Formate POSITIONS Berlin Art Fair, Fashion Positions und Paper Positions. Empfohlener redaktioneller Inhalt An


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Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können. Die Veranstaltungen verbinden analoge Begegnungen mit einer intensiven digitalen Betreuung, insbesondere über Social-Media-Kanäle.


Instagram wird aktiv genutzt, um aktuelle Trends aufzugreifen und auch jüngere, digital sozialisierte Zielgruppen anzusprechen. Dabei gelingt es der Galerie, die digitale Kommunikation


humorvoll und kreativ zu gestalten, ohne den kuratorischen Anspruch zu verwässern. Aufmerksamkeit ist heute ein knappes Gut. Vor allem bei jungen, digital sozialisierten Menschen, die


Inhalte in hoher Geschwindigkeit konsumieren. Likes, Shares und Reichweite sind keine Nebensache, sondern entscheiden über wirtschaftlichen Erfolg. > Die digitale Welt hat ihren eigenen 


Charakter und Moden, man muss > verstehen, wie man sich in diesem Raum bewegt. KRISTIAN JARMUSCHEK, Galerist bei Jarmuschek + Partner EIN GALERIST GEHT EINEN ANDEREN WEG Im krassen


Gegensatz zu Jarmuscheks Ansatz steht der von Luca Barbeni, Gründer der Galerie NOME, die nur wenige Gehminuten entfernt liegt. Barbeni lehnt Social Media und digitale Verkaufsstrategien ab.


„Ich bin wegen der lebendigen jungen Szene nach Berlin gekommen, ich hatte nicht die Vision einer neuen Sammlerschaft“, erklärt er. Seine Kunden kommen vor allem aus dem Ausland, neue


Zielgruppen erschließen zu wollen, sieht er nicht als notwendig an. „Ich sehe das als einen Trend, der derzeit durch die Branche geht, man muss in dieser Welt spezifischer sein, weil wir


hier mit Luxusprodukten handeln. Wenn ein Produkt online gekauft wird, verliert es den Luxusfaktor.“ > Wenn ein Produkt online gekauft wird, verliert es den Luxusfaktor. Luca Barbeni,


Galerist und Kurator der Galerie NOME. Für Barbeni ist klar, dass digitale Präsenz die Tiefe und Authentizität eines Kunstwerks nicht transportieren kann: „Das ist keine Kultur, das ist


Entertainment“, meint er. RICHTUNGSSTREIT IM BERLINER KUNSTBETRIEB Die kontrastierenden Ansätze der beiden Galeristen spiegeln einen grundsätzlichen Richtungsstreit wider, der den Berliner


Kunstmarkt prägt. Während Jarmuschek die Chancen der digitalen Sichtbarkeit und Reichweite nutzt, um neue Käuferschichten zu erreichen, setzt Barbeni auf bewährte analoge Strukturen und


Exklusivität. Die Frage ist nicht nur, wie Kunst heute verkauft wird, sondern auch, wie die Identität und Wertigkeit von Kunst in einer zunehmend digitalisierten Welt definiert werden kann.


Beide Seiten kämpfen derweil mit ähnlichen Herausforderungen: Der Berliner Kunstmarkt ist ein bedeutender, aber auch anfälliger Wirtschaftszweig. Mit rund 2,5 Milliarden Euro Jahresumsatz


trägt der deutsche Kunstmarkt zwar nur einen kleinen Teil zur Kultur- und Kreativwirtschaft bei, doch Berlin spielt als Zentrum mit etwa 3.400 Unternehmen und 340 Galerien eine


Schlüsselrolle. Etwa ein Drittel des bundesweiten Umsatzes wird hier erwirtschaftet. Gleichzeitig sind viele Galerien von steigenden Mieten und unsicheren Fördermitteln betroffen, die


finanzielle Spielräume einschränken – gerade für notwendige Investitionen in Digitalisierung oder neue Organisationsformen. ZWISCHEN INNOVATION UND BEWAHRUNG Besonders über Ihren


Instagram-Kanal erreicht Jarmuschek + Partner mit regelmäßigen Beiträgen eine breitere internationale, tendenziell jüngere und kaufaffine Zielgruppe. Auch beständige Sammlerinnen und Sammler


folgen der Galerie auf ihren Social-Media-Kanälen. Damit setzt die Galerie bewusst auf digitale Sichtbarkeit für beide Zielgruppen. „Man muss den Raum als solchen erkennen und verstehen,


wie man sich darin bewegt“, sagt Jarmuschek. Dabei dürfe die Komplexität des Werkes nicht zugunsten besserer Verkaufschancen verflacht werden. Barbenis Ansatz hingegen setzt bewusst auf


analoge Formate: gedruckte Hefte, genannt Zines, sowie Veranstaltungen wie Artist Talks oder Konzerte sollen die Tiefe der Kunst vermitteln. Digitale Medien werden nur minimal genutzt, vor


allem für den Austausch mit Kuratoren und der Szene. Der Konflikt spiegelt sich auch in der Wahrnehmung gesellschaftlicher Themen wider. Beim vergangenen Gallery Weekend erzielte Barbenis


Galerie mit der Soloausstellung der Berliner Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley positive Resonanz. Ihre Arbeit behandelt die Marginalisierung von Trans-Identitäten. Barbeni betont


jedoch, dass es gesellschaftskritische Kunst schwer hat, in den sozialen Medien einen Käufer zu finden. Beide Galeristen sind sich jedoch einig, was grundlegende Probleme angeht. Sie sehen


die prekäre Kulturförderlandschaft in Berlin kritisch und warnen vor einem Verlust kultureller Vielfalt. Die Debatte müsste ihrer Ansicht nach wieder stärker darüber geführt werden, welche


Bedeutung Berlin als Kulturstadt für Deutschland hat.