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Bei Herthas Mitgliederversammlung gibt es Protest gegen ein angeblich falsches Logo. Doch nicht immer sind die Dinge so klar, wie sie scheinen. Verglichen mit früheren Veranstaltungen dieser
Art war die jüngste Mitgliederversammlung von Hertha BSC am vergangenen Sonntag nicht nur ausgesprochen kurz. Sie verlief sogar weitgehend harmonisch, wenn auch nicht komplett frei von
scharfen Tönen aus dem Auditorium. Das wäre auch verwunderlich gewesen nach einer Saison, in der der Berliner Fußball-Zweitligist zwischenzeitlich den Abstieg in die Dritte Liga fürchten
musste, in der am Ende ein unbefriedigender elfter Platz heraussprang, der Trainer gehen musste und sowohl der Geschäftsführer als auch der Akademieleiter geschasst wurden. Die heftigste
Kontroverse aber entzündete sich an einem vergleichsweise banalen Thema: an einer auf 1892 Exemplare reduzierten, dunkelblauen Trainingsjacke, die exklusiv für Mitglieder des Vereins
reserviert ist. „Welcher Teufel hat Sie geritten?“, fragte ein Mitglied die Klubführung. Wobei es ihm nicht um die Farbe der Jacke, die künstliche Verknappung des Produkts oder um den Preis
ging. Es ging um das Logo auf der Brust. Auf der Jacke ist nicht die übliche Hertha-Fahne zu sehen, oder – wie es im Hertha-Sprachgebrauch heißt – die „Fahne pur“, sondern der Schriftzug
Hertha BSC in kugelrunder Form. Einige Mitglieder fühlten sich dadurch offenbar schwer getroffen, was sie auch lautstark zum Ausdruck brachten. Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser
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Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können. Frank Schurmann, 60 Jahre alt und 55 davon Fan des Vereins, muss sich in solchen Momenten immer ein bisschen zusammenreißen. „Ob man
das gut findet oder nicht: Das Logo ist Teil der Hertha-Geschichte“, sagt Schurmann, der bei Hertha für die Traditionspflege und das Archiv zuständig ist. „Wir können doch nicht alles
ausblenden, was vor dem Aufstieg 1997 passiert ist.“ > Das neue, zweifellos moderne Emblem von Hertha BSC, mit dem zu einem > Fußball gerollten und gut lesbaren Clubnamen, ist
geschmackvoll und > wird sich sicherlich schnell einbürgern. HERTHA BSC zur Einführung des neuen Wappens Das Logo, das einige Fans auf die Barrikaden gebracht hat, war von 1979 bis 1984
das offizielle Wappen des Vereins. Im Programmheft zum ersten Heimspiel der Saison 1979/80 gegen Eintracht Braunschweig wurde es den Fans erstmals präsentiert: „Frischer Wind und ein neues
Vereinsemblem“, hieß es damals auf der Titelseite der Stadionzeitschrift. „Das neue, zweifellos moderne Emblem von Hertha BSC, mit dem zu einem Fußball gerollten und gut lesbaren Clubnamen,
ist geschmackvoll und wird sich sicherlich schnell einbürgern.“ Von wegen! Offenbar versetzt dieses Wappen Teile der Fans noch heute in Aufruhr. Aber auch bei seiner Einführung vor 46 Jahren
war der sogenannte Disco-Ball nicht wohl gelitten, obwohl dessen Design den Geschmack der damaligen Zeit ziemlich perfekt widerspiegelte. „Ich kenne keinen aus meinem Umfeld, der den gut
fand“, sagt Manne Sangel, 65, ein Urgestein unter den Hertha-Fans. DIE FAHNE SOLL NICHT ANGETASTET WERDEN Knut Beyer, 63, kann das bestätigen. Beyer, seit November Mitglied in Herthas
Präsidium, war Ende der Siebziger ebenfalls gegen den Disco-Ball – und hat ihn trotzdem am Sonntag auf dem Podium verteidigt. Dessen Verwendung auf einem offiziellen Merchandising-Produkt
des Vereins müsse man eben mit einem Augenzwinkern sehen, sagte er. „Niemand will unser Vereinslogo ablösen“, erklärt Beyer. Der Disco-Ball aber sei ein Teil der Geschichte von Hertha BSC.
„Deshalb hat er seine Berechtigung.“ Der Schlange nach zu urteilen, die sich nach der Versammlung vor dem Verkaufsstand bildete, scheinen das viele Mitglieder des Vereins ähnlich zu sehen.
Dass die Farben eines Klubs und sein Wappen ein hochsensibles Thema sind, das hat sich in der Vergangenheit auch schon bei Hertha BSC gezeigt. Zum Beispiel, als der Klub zur Saison 2006/07
ein weißes Heimtrikot mit einem goldenen Adler auf blauem Grund als Wappen vorstellte. Es sollte eine Hommage an Herthas Meisterschaft exakt 75 Jahre zuvor sein. Trotzdem liefen die aktiven
Fans Sturm. Sie kämpften für den Erhalt ihrer Fahne. Und sie kämpften auch gegen den Ring um die Fahne mit dem Schriftzug „Hertha BSC“ und „Berlin“, der sich seit der Saison 1999/2000 auf
den Trikots ihres Klubs befand – und der in Anlehnung an den dafür verantwortlichen Manager „Dieter-Hoeneß-Gedächtnisring“ genannt wird. Der Kampf der Fans war letztlich erfolgreich: Bei der
Mitgliederversammlung im Mai 2012, unmittelbar nach dem zweiten Abstieg binnen zwei Jahren, beugte sich Präsident Werner Gegenbauer dem öffentlichen Druck. Trotz der massiven Kritik wurde
er schließlich wiedergewählt. Herthas früherer Präsidiumsmitglied Ingmar Pering hat daher in einem Interview mit dem Tagesspiegel einmal gesagt, dass „die Kurve sich von Werner Gegenbauer
mit ,Fahne pur‘ hat kaufen lassen“. Anschließend wurde das Wappen erstmals in der Geschichte des 1892 gegründeten Vereins auch in der Satzung verankert. Die blau-weiße Fahne mit dem blauen
Schriftzug Hertha BSC ist „das offizielle Vereinslogo“, heißt es dort. „Sie findet ausschließlich freistehend, ohne weitere Akzentuierungen, Verwendung.“ Der Tradition schien damit Genüge
getan. Aber so einfach ist es nicht. Die Fahne hat bei Hertha zwar tatsächlich eine lange Geschichte und taucht in offiziellen Publikationen des Vereins bereits vor dem Ersten Weltkrieg auf.
Als Wappen auf dem Trikot kommt sie jedoch erst sehr viel später zum Einsatz. In den Anfangsjahren des Klubs spielten die Herthaner mit einem simplen H auf der Brust, später mit einem H in
einem Wappenschild und nach der Fusion mit dem Berliner Sport-Club im August 1923 schließlich mit dem preußischen Adler des BSC. So auch beim Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft 1930,
als sich die Berliner im Finale mit 5:4 gegen Holstein Kiel durchsetzten. Als Hertha den Titel ein Jahr später erfolgreich verteidigte, hatten sich beide Klubs schon wieder getrennt.
Geblieben ist nur das BSC in Herthas Vereinsname (vorher hieß der Klub Hertha BFC), nicht aber der Adler als Wappentier. Das Trikot, das die Berliner in der Spielzeit 2006/07 getragen haben,
war also eigentlich eine Hommage an die Meisterschaft 76 Jahre zuvor. 1931 gewannen Herthas Spieler den Titel in schlichten weißen Hemden. Erst seit der Saison 1991/92 befindet sich die
Fahne durchgängig auf der Brust der Hertha-Trikots. Zumindest sporadisch war sie zuvor schon in der ersten Bundesligasaison 1963/64 zu sehen gewesen. Außerdem zierte sie im Aufstiegsjahr
1967/68 die Hemden der Herthaner – damals aus Anlass des 75-jährigen Vereinsgeburtstags. In den Sechzigern und Siebzigern fand sich anstelle eines Wappens oft nur der Schriftzug Hertha BSC
auf den Trikots, in den Achtzigern dann nicht mal das. Und in der Bundesligasaison 1990/91 gab es anstelle der Fahne den Bären Bully im Miniaturformat – ausnahmsweise auf der rechten statt
der linken Seite. Der Disco-Ball hingegen hat sich nie auf Herthas offizieller Spielkleidung befunden. Dessen Einführung soll vor allem finanzielle Gründe gehabt haben. Am vorherigen Wappen,
so wird es erzählt, habe Hertha keine Lizenzrechte besessen. Den Disco-Ball hingegen habe der damals finanziell angeschlagene Klub eigenständig vermarkten können. FANARTIKEL WURDEN VOM DFB
ZENTRAL VERMARKTET Merchandising in der heutigen Form gab es Ende der Siebziger noch nicht. Tatsächlich wurden die Fanartikel der 18 Bundesligisten damals sogar zentral vermarktet. 1975
hatte der Deutsche Fußball-Bund mit einer Münchner Werbefirma einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Die Erlöse, etwa zehn Prozent des Verkaufspreises, wanderten in einen gemeinsamen Topf
und wurden mehr oder weniger gleichmäßig unter allen Klubs aufgeteilt. Ende der Siebziger begehrte vor allem der FC Bayern mit seinem neuen Manager Uli Hoeneß gegen die Zentralvermarktung
auf. Sein Klub erhielt (wie alle anderen) im Jahr läppische 40.000 Mark aus dem Verkauf von Fanartikeln. Trikotexperte Stefan Appenowitz, der drei Bücher zu diesem Thema verfasst hat, hält
es für möglich, dass auch Hertha damals nach neuen Erlösquellen gesucht hat. „In dem Zeitraum ging es los, dass die großen Klubs sich überlegt haben: Wie können wir mehr Geld verdienen?“,
sagt er. Der Disco-Ball fand sich auf Wimpeln, Schals und Kappen. Die Kritik an dem neuen Logo aber riss nie ab. Bei Herthas Hauptversammlung am 31. Oktober 1983 im Schweizer Hof setzten
sich die Gegner schließlich durch – obwohl die Führung des mit zwei Millionen Mark verschuldeten Klubs die hohen Kosten, angeblich 60.000 bis 80.000 Mark, als Argument gegen eine weitere
Änderung ins Feld geführt hatten. Von den 163 anwesenden Mitgliedern stimmten 100 für die Reaktivierung der Fahne. „Das war das erste Mal, dass ein Fanprotest was gebracht hat“, sagt
Präsidiumsmitglied Beyer. Manne Sangel erinnert sich, dass den Mitgliedern später fünf Entwürfe für das neue Vereinsemblem – allesamt Fahnen in unterschiedlicher Ausführung – präsentiert
wurden. Die Pappe mit dem Siegerentwurf, dem bis heute gültigen Wappen, hat er bei sich zu Hause. „Das Pappschild hab‘ ich mitgenommen“, erzählt Sangel. „Wollte ja keener.“