Geld: milliarden unter den matratzen: bargeldmenge steigt weiter

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Immer mehr Menschen zahlen elektronisch, doch ungeachtet aller Unkenrufe droht dem Bargeld nicht das Verschwinden - es vermehrt sich sogar. Das wirft eine Frage auf: Wo sind all die


Milliarden? Die häufigen Unkenrufe zum bevorstehenden Verschwinden des Bargelds sind verfrüht: Ungeachtet der stetig abnehmenden Bedeutung von Scheinen und Münzen beim alltäglichen Einkauf


steigt die im Umlauf befindliche Bargeldmenge im Euroraum nach wie vor. Zentralbanken und Fachleute gehen davon aus, dass Bargeld in dreistelligem Milliardenwert nicht ausgegeben, sondern


gehortet wird.  SCHÄTZUNG: VIERHUNDERT MILLIARDEN EURO BARGELD LAGERN IN PRIVATHAUSHALTEN Nach Zahlen der Bundesbank liegt der Anteil der in Deutschland zur „Wertaufbewahrung“ gehaltenen


Banknoten bei etwa 42 Prozent, knapp zweieinhalbmal so hoch wie noch 2013. In absoluten Zahlen: Ende 2024 lagerten nach Schätzung der Bundesbanker 395 Milliarden Euro in Deutschlands


Privathaushalten - sehr ungleich verteilt, da Umfragen zufolge viele Haushalte keine oder nur geringe Barreserven haben.  „BARGELD-PARADOXON“ Im März waren nach Zahlen der Europäischen


Zentralbank im Euroraum insgesamt 1,564 Billionen Euro in bar im Umlauf. Das waren knapp 30 Milliarden mehr als im Frühjahr 2022 und sogar 300 Milliarden Euro mehr als zu Beginn der


Corona-Pandemie fünf Jahre zuvor. Seit 2022 hat sich die Wachstumsrate zwar stark verlangsamt, doch die im Umlauf befindliche Bargeldmenge nimmt nach wie vor zu und nicht ab. In der


Bundesbank wird das Phänomen „Banknoten-Paradoxon“ genannt. Es sei seit „vielen Jahren zu beobachten, und zwar in vielen Ländern“, sagt eine Bundesbank-Sprecherin in Frankfurt.  „Noch bis


ins Jahr 2021 war die Wachstumsrate der Banknoten im Umlauf stets ein Vielfaches der jährlichen Inflationsrate“, sagt Johannes Gärtner, Bezahlfachmann bei der Unternehmensberatung


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Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können. Paradox ist das Phänomen deshalb, weil bekanntermaßen die Zahl der


Menschen abnimmt, die mit Scheinen und Münzen bezahlen. Im Jahr 2023 wurde laut Bundesbank zwar noch die Hälfte aller Bezahlvorgänge an Deutschlands Kassen bar abgewickelt, das machte jedoch


lediglich ein gutes Viertel der gesamten Umsätze aus.  ELEKTRONISCHE ZAHLUNG WEITER AUF DEM VORMARSCH Laut einer kürzlichen Umfrage von Strategy& unter 5.500 Befragten in neun


europäischen Ländern und der Türkei hat die Debitkarte mittlerweile Bargeld als am weitesten verbreitetes Zahlungsmittel abgelöst - nur noch 23 Prozent zahlten bevorzugt bar. Viele


Einzelhändler bevorzugen mittlerweile ebenfalls die elektronische Zahlung, vor allem die kontaktlose, bei der die Kundschaft keine PIN-Nummer eingeben muss. „Das ist bis zu sieben Mal


schneller als Bargeldzahlung“, sagt Bernd Ohlmann, der Sprecher des Handelsverbands Bayern.  „UNSICHERHEIT IST DER TREIBENDE FAKTOR“ Doch warum ist mehr Bargeld im Umlauf, wenn immer weniger


Menschen es im Alltag nutzen? „Der Euro wird sehr stark gehortet“, sagt Ralf Wintergerst, Vorstandschef des Münchner Banknoten- und Sicherheitstechnikherstellers Giesecke+Devrient, der


weltweit gut 150 Zentralbanken zu seinen Kunden zählt. „Das Produktionsvolumen des Euro wird zwar auch zum Bezahlen benutzt, aber mittlerweile eben halt auch zum Weglegen.“ Das Unternehmen


sei seit 20, 30 Jahren mit den Zentralbanken immer wieder in Diskussionen: „Was geschieht eigentlich im Bargeldkreislauf, warum und wofür nutzen die Menschen Bargeld?“ Wintergersts Erklärung


für den offenkundigen Trend zur Bargeldhortung: „Unsicherheit ist der treibende Faktor.“  Laut Bundesbank erreichte der zur Wertaufbewahrung gelagerte Anteil des Bargelds während der


Corona-Pandemie einen Höchstwert von 43 Prozent - was allerdings maßgeblich an den monatelangen Lockdowns in der ersten Phase der Pandemie lag: „Der Anstieg des Banknotenumlaufs in Krisen -


nicht nur während der Corona-Pandemie - aufgrund der mit diesen einhergehenden Unsicherheit ist ein häufig beobachtetes Phänomen“, sagt die Bundesbank-Sprecherin.  GANGSTER BRAUCHEN CASH


Unternehmensberater Gärtner bringt noch zwei weitere Faktoren ins Spiel, die mutmaßlich zum Anstieg des Bargeldumlaufs beitragen. „Grundsätzlich ist das Wachstum der Bargeldmenge nicht dem


klassischen Zahlungsverkehr zuzuordnen“, sagt der Finanzexperte. „Die Gründe liegen vielmehr in einer Mischung aus "Hoarding", Schattenwirtschaft und der Rolle als Reservewährung


im Ausland.“ „Schattenwirtschaft“ bezeichnet wirtschaftliche Aktivitäten jenseits von Recht und Gesetz, ob klassische Schwarzarbeit oder kriminelle Geschäfte. So ist die Autobahn A3 in


Bayern dafür bekannt, dass die Polizei bei Kontrollen immer wieder auf immense Summen Bargeld stößt: Im November fanden Schleierfahnder im Auto eines 34 Jahre alten Mannes eine Million Euro,


mutmaßlich aus kriminellen Geschäften stammend und verpackt in Plastiktüten.  ALTMODISCH, ABER SICHER Doch auch wenn die Bedeutung des Bargelds im Alltag der gesetzestreuen Bürgerschaft


weiter sinken dürfte, ist nicht zu erwarten, dass künftig nur noch Gangster Scheine und Münzen im Geldbeutel - oder in Plastiktüten - mit sich schleppen. Die Bundesbank hat sich den Erhalt


des Bargelds und der dazugehörigen Infrastruktur auf die Fahnen geschrieben. Denn Bargeld hat unbestreitbare Vorteile. Dazu zählt nicht zuletzt, dass Scheine und Münzen keinen Strom und


keine elektronische Infrastruktur brauchen. „Die Zentralbank muss für eine dauerhafte, resiliente Bezahlinfrastruktur sorgen“, sagt G+D-Vorstandschef Wintergerst. „Wenn es Krieg gibt, wenn


es Krisen gibt, bei Hochwasser muss es trotzdem möglich sein zu bezahlen. Dafür spricht Bargeld.“ © dpa-infocom, dpa:250601-930-614722/1 _Das ist eine Nachricht direkt aus dem


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