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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Wie es
sich anfühlt, wenn das Schicksal zuschlägt, erfährt Luca Parmitano am 11. Mai 2005. Der Hauptmann der italienischen Luftwaffe rast in einem Kampfflugzeug des Typs AMX Ghibli über den
Ärmelkanal, als ein Vogel in die Frontscheibe kracht und das Glas splittern lässt. Doch Testpilot Parmitano löst nicht etwa den Schleudersitz aus. Er bringt seine Maschine trotz
eingeschränkter Sicht, fehlendem Funkkontakt und Höllenlärm sicher zum Stützpunkt zurück. Sein Lohn ist ein Orden des Staatspräsidenten. Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass
Parmitano mit an Kaltblütigkeit grenzender Selbstdisziplin sein Leben retten muss. Das zweite Mal kommt am 16. Juli 2013, der Italiener ist als europäischer Astronaut auf der Internationalen
Raumstation zu Gast. Mit seinem US-Kollegen Chris Cassidy, einem ehemaligen Navy Seal, unternimmt er einen Außeneinsatz. EVA 23 heißt der Ausstieg im Nasa-Slang. Es ist nach einem Einsatz
eine Woche zuvor erst das zweite Mal, dass ein Italiener im freien All arbeitet. Plötzlich dringen nach und nach große Mengen Wasser in Parmitanos Helm, der Astronaut droht zu ertrinken. EVA
23 muss abgebrochen werden, Parmitano kann sich nur mit Mühe zurück in die Station kämpfen. Sein Lohn ist diesmal nichts Geringeres als sein Leben. "Stellen sie sich vor, sie müssen
mit geschlossenen Augen, den Kopf in einem Goldfischglas, herumlaufen", sagte Parmitano später. Anderthalb Liter Wasser im Helm hatten zum Beinahe-Unfall geführt, der bei der Nasa
seither unter der Registriernummer 2013-199-00005 geführt wird. Im Kern geht es um die Frage, woher die enorm große Flüssigkeitsmenge kommen konnte. VERSTOPFTE PUMPE IM
LEBENSERHALTUNGSSYSTEM Ein fünfköpfiges Untersuchungsgremium hat den Vorfall nun aufgearbeitet. Die Gruppe unter Leitung von Chris Hansen, Chefingenieur für die ISS am Johnson Space Center
in Houston, hat ihren rund 220 Seiten starken Bericht am Mittwoch vorgelegt. Wegen der US-Exportkontrollregeln sind allerdings viele Seiten mit technischen Details in der öffentlich
zugänglichen Version geschwärzt. Die Anzüge der Nasa für Außeneinsätze ("Extravehicular Mobility Unit") sind vor mehr als 30 Jahren entwickelt und seitdem nur leicht überarbeitet
worden. Und doch, so zeigt der Bericht, gibt es bis heute Aspekte an ihnen, die nicht vollkommen verstanden sind. Bei Parmitanos Beinahe-Unglück hat offenbar eine verstopfte Pumpe aus dem
Lebenserhaltungssystem im Rucksack des Anzugs EMU 3011 dafür gesorgt, dass Wasser in den Luftkreislauf eindringen konnte. Doch woher die Aluminiumsilikatpartikel in der Pumpe genau stammten,
kann die Nasa noch immer nicht sagen. Ingenieur Hansen behalf sich in einer Telefonkonferenz am Mittwochabend mit Allgemeinplätzen, sprach von einem "sehr komplizierten Problem"
und einem "sehr komplexen System". Mike Sufferdini, Nasa-Verantwortlicher für die ISS, resümierte: "Man kann nichts als gegeben hinnehmen." PROBLEM ALS LAPPALIE ABGETAN
Klar ist nun aber auch: Vor allem Missmanagement bei der US-Weltraumbehörde brachte Parmitano in Lebensgefahr. Denn das Wasserproblem bei EMU 3011 war bereits beim ersten Einsatz des
Italieners am 9. Juli 2013 aufgetreten. Es wurde als Lappalie abgetan, obwohl sich bereits damals ein halber bis ein Liter angesammelt hatten. An dieser Stelle finden Sie einen externen
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Datenschutzerklärung Als Ursache wurde - ohne große Untersuchung - eine defekte Trinkflasche vermutet. Statt einer umfassenden Fehlerdiagnose wurde das Teil einfach ausgetauscht, der Anzug
getrocknet - und weiter ging's. Eine Fehleinschätzung, die Parmitano beinahe das Leben gekostet hätte . Wäre eingehender über den Wasservorfall diskutiert worden, hätte man ihn als
gravierend erkannt, räumte Nasa-Manager Hansen ein. Diese Leichtfertigkeit bei der Fehleranalyse erinnert an die Katastrophen der Raumfähren "Challenger" und "Columbia",
die ebenfalls durch vermeintliche Mini-Probleme ausgelöst wurden. Das Unternehmen ILC Dover tüftelt im Auftrag der Nasa an einer neuen Generation von Raumanzügen, der sogenannten Z-Serie.
Doch die soll frühestens 2017 auf der Internationalen Raumstation getestet werden. Bis dahin muss die US-Weltraumbehörde mit ihren existierenden Anzügen auskommen. Die defekte Pumpe von EMU
3011 ist inzwischen ausgetauscht und für die Fehlersuche zur Erde gebracht worden. Zwei weitere Pumpen in anderen Anzügen sollen noch gewechselt werden. Bis die Hintergründe des Fehlers
geklärt sind, gibt es keine Arbeitseinsätze für die Nasa-Astronauten im All - es sei denn, sie lassen sich partout nicht vermeiden. Ende Juli oder Anfang August, so schätzt man bei der Nasa,
könnten die technischen Fragen geklärt sein. Nach der Rückkehr in die Station war Parmitanos Leben übrigens noch ein weiteres Mal in Gefahr - das zeigt der aktuelle Untersuchungsbericht
ebenfalls. Beim Trocknen des klatschnassen Anzugs aktivierte die Crew versehentlich die darin enthaltene Sauerstoff-Notration. Sie versorgt Raumfahrer im Krisenfall für 30 Minuten mit
Frischluft. Doch ungewollt in der Station ausgelöst, ließ sie auch das Brandrisiko steigen. _Dem Autor auf Twitter folgen: _