Neuer antibiotika-ansatz: forscher treiben bakterien in den selbstmord

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Altruismus, wenn man es so nennen mag, ist auch unter Bakterien ein bekanntes Phänomen: Zum Wohl der anderen können sich einzelne Zellen opfern. Geraten die Bakterien beim Angriff auf den


Körper unter ungünstige Lebensbedingungen, töten sich teilungsaktive Zellen selber ab, um einigen wenigen schlummernden Kollegen die Nahrung zu sichern. So kann die Bakteriengemeinschaft


überdauern und mit ihrem üblen Werk fortfahren, wenn die Bedingungen wieder günstig sind. Ein Faktor dieser Strategie könnte den Bakterien jetzt zum Verhängnis werden: ihr eigenes


Selbstmordgift. Diese sogenannten Zeta-Toxine, die an dem Suizidprogramm beteiligt sind, kommen in vielen gefährlichen Bakterienarten vor, beispielsweise bei den Erregern von


Lungenentzündung oder Blutvergiftung. Diese Enzyme werden ständig gebildet, ein Gegengift hindert sie allerdings an ihrer Wirkung. Doch es gibt Stresssituationen, die diesen Mechanismus


aushebeln, weil sie zu einer verminderten Produktion des Antigifts führen, etwa wenn den Bakterien die Nahrung ausgeht. Dann lösen die Zeta-Toxine den programmierten Zelltod aus, die


sogenannte Apoptose. Zwar kannten Forscher das Grundprinzip dieses Abwehrmechanismus, doch wie die selbstproduzierten Gifte wirken, war unklar. Diesen Prozess hat das Team um Anton Meinhart


vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg jetzt geknackt und im Fachmagazin "PLoS Biology"  veröffentlicht. GEPLATZTE BAKTERIENZELLEN Bei ihrer Studie


untersuchten die Wissenschaftler die Wirkung eines Zeta-Toxins, das sie aus Streptococcus pneumoniae, dem Erreger der Lungenentzündung, isolierten. Für ihre Tests nutzten sie das Bakterium


Escherichia coli. Dieses menschliche Darmbakterium dient in der Laborforschung häufig als Modellorganismus für Versuche. Bei diesen bakteriellen Versuchskaninchen zeigte das Enzym eine


charakteristische Wirkung auf die Vermehrungsteilung: Beim Versuch, sich zu verdoppeln, platzen die Bakterienzellen. Die Forscher konnten zeigen, dass das Zeta-Toxin dabei die Bildung einer


weiteren Substanz im Bakterium auslöst: UNAG-3P. Dieses Molekül verhindert letztendlich die Ausbildung einer neuen Zellwand, die beide Tochterzellen trennt. Gelingt es, UNAG-3P in ein


Medikament zu verwandeln, könnte damit ein neues Breitbandantibiotikum entstehen, glauben die Wissenschaftler. Einen ähnliche Strategie verfolgen Forscher von der Washington University in


St. Louis, die vor kurzem einen Fachartikel veröffentlicht hatten. Darin beschreiben sie, wie es ihnen gelungen ist, das Gegengift eines gefährlichen Bakteriums mit Hilfe einer Substanz


ebenfalls unwirksam zu machen - und den Erreger auf diese Weise in den Selbstmord treiben. cib/dapd