Münchner schläger: warum eine abschiebung wahrscheinlich ist

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Hamburg/München - "So was wird nie, nie wieder passieren", sagte der eine. "Es tut mir auch sehr leid, ich bereue ganz von Herzen, dass ich diese Tat gemacht habe", sagte


der andere. Ihre demonstrative Reue nützte jedoch weder Serkan A. noch Spyridon L.: Der 21-jährige Türke und sein 18 Jahre alter griechischer Kumpel wurden nach dem brutalen Angriff auf


einen Rentner in der Münchner U-Bahn zu schweren Strafen verurteilt . Sie hatten den pensionierten Lehrer halbtot geschlagen und getreten. Zwölf Jahre Haft verhängten die Richter am Münchner


Landgericht gegen A., der zur Tatzeit noch minderjährige L. kam mit achteinhalb Jahren nach dem milderen Jugendstrafrecht davon. "Eine bayerische Harke" nannte L.'s


Verteidiger die Urteile. Doch den beiden U-Bahn-Schlägern könnte noch Schlimmeres drohen. Denn Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will sie abschieben lassen. "Es würde niemand


verstehen, wenn Ausländer, die eine derartige Brutalität an den Tag legen, weiter in Deutschland bleiben könnten", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung. Auch sein


Ministerpräsident fordert die Ausweisung der brutalen Täter. "Zum Schutz der Bevölkerung" sei dies dringend notwendig, findet Günther Beckstein. Im bayerischen Innenministerium ist


man nach der Urteilsverkündung jedenfalls guter Dinge. Natürlich sei Herrmanns Forderung zunächst eine politische, heißt es. "Aber die harten Urteile erleichtern natürlich eine


Ausweisung und anschließende Abschiebung", sagte Sprecher Oliver Platzer SPIEGEL ONLINE. Tatsächlich sind entsprechend hohe Freiheitsstrafen die Voraussetzung dafür, Ausländer


abschieben zu können. Selbst bei EU-Bürgern wie dem Griechen L. ist dies dann "aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit" möglich, wie es im Amtsblatt der Europäischen


Union heißt. Ihm würde die sogenannte Freizügigkeit entzogen, die Bürgern der Europäischen Union in jedem Mitgliedsland grundsätzlich zusteht. Der Türke A. kann sich wegen des


Assoziierungsabkommens von 1980 mit Ankara auf eine ähnliche Behandlung wie ein EU-Bürger einstellen - er hat einen sogenannten ARB-Status. Für eine Abschiebung müsste demnach eine


"tatsächliche und hinreichende Gefährdung der öffentlichen Ordnung" vorliegen. AUSLÄNDERBEHÖRDE UND VERWALTUNGSGERICHT SIND AM ZUG "Es wird nicht so leicht, wie sich Herr


Herrmann das in diesen Wahlkampfzeiten vorstellt", sagte Florian Wurtinger, A.'s Verteidiger, nach der Urteilsverkündung SPIEGEL ONLINE. Vor allem aber hätte Bayerns Innenminister


über eine Abschiebung ohnehin nicht zu entscheiden: Dies zu prüfen, liegt im Ermessen der zuständigen Ausländerbehörde. Sollten die Urteile rechtskräftig werden - ihre Verteidiger haben


bereits Revision beim Bundesgerichtshof angekündigt -, müssten Serkan A. und Spyridon L. zunächst ihre Haftstrafen in Bayern antreten. In der Regel wird mindestens die Hälfte der Strafe in


Deutschland verbüßt. Dann würde die jeweilige Ausländerbehörde ihnen gegenüber die Ausweisung anzeigen, das zuständige Verwaltungsgericht müsste schließlich darüber entschieden. Die


Entscheidung liegt also in den Händen der Verwaltungsrichter. Sie haben vor allem die sogenannte Sozialprognose der Täter zu bewerten. Und um die sieht es tatsächlich ziemlich schlecht aus -


trotz ihrer von den Richtern als unglaubwürdig eingeschätzten und nicht honorierten Reuebekundungen. "Für eine Therapie schwer zugänglich" und "sehr


veränderungsresistent" nannte einer der psychologischen Gutachter im Verfahren Serkan A. Seine Beurteilung des Angeklagten: "Ich sehe die Wahrscheinlichkeit einer Veränderung eher


skeptisch." Auch für Spyridon L. fand der Psychologe wenig schmeichelhafte Worte. "Er lehnt es ab, sich Grenzen setzen zu lassen", sagte der Sachverständige. Zudem neige der


junge Grieche "in Konfliktsituationen zu offensivem bis ungehemmt aggressivem Verhalten". Verteidiger Wurtinger gibt sich dennoch optimistisch - und verweist auf die privaten


Verhältnisse seines Mandaten: "Er ist in Deutschland geboren, seine Familie lebt hier, seine Verlobte und sein Kind. Damit ist er ein 'faktischer Inländer'", sagt er. Ob


das die Verwaltungsrichter überzeugen kann, bezweifeln jedoch Experten. Volkert Ohm, Fachjurist für Sozialrecht und Mitglied des Ausschusses für Ausländer- und Asylrecht des Deutschen


Anwalt-Vereins: "Die privaten Bindungen sind zwar zu berücksichtigen, aber im Vordergrund steht die Gefährdung für die Öffentlichkeit." Er hält die Sozialprognose von A.


"ungünstig bis katastrophal", sagte er SPIEGEL ONLINE. SPD-INNENEXPERTE HÄLT ABSCHIEBUNG FÜR MÖGLICH Auch Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,


hält eine Abschiebung von Serkan A. und Spyridon L. für möglich. "Mit Schnellschüssen ist niemandem geholfen", sagte er zwar SPIEGEL ONLINE. Aber er sagt auch, "dass wir in


Deutschland gar nicht selten abschieben, wenn es geht". Im Fall der Münchner Täter, findet Wiefelspütz sogar "die Prüfung praktischerweise zwingend". Ganz anders sehen das die


bayrischen Sozialdemokraten. Politische Stimmungsmache seien die Forderungen der CSU, sagte Fraktionschef Franz Maget. Und auch im Kreisverwaltungsreferat (KVR) - Münchens Ordnungsbehörde -


versucht man zu bremsen. "Eine besonders sorgfältige Prüfung" kündigte KVR-Referent Wilfried Blume-Beyerle an. Manchen erinnert die aktuelle Abschiebe-Diskussion an den Fall


"Mehmet". Auch bei dem Münchner Straftäter, der schon vor seinem 14. Lebensjahr mehr als 60 Delikte begangen hatte, war es zu einem langen juristischen Hin und Her gekommen. Erst


als "Mehmet" sich zum Jahreswechsel 2005/2006 wegen eines Haftbefehls in die Türkei absetzte, erwirkten die Behörden eine unbefristete Ausweisung. Die droht faktisch zumindest auch


Serkan A.: Selbst eine befristete Ausweisung käme einer endgültigen Abschiebung gleich - denn aus der Türkei dürfte er nach Ende der Frist nicht mehr nach Deutschland einreisen.