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Cleveland - Der Bart gilt als Ausdruck von Männlichkeit, Würde und Frömmigkeit. Das Abschneiden wird als Erniedrigung empfunden. Die Mitglieder der in den USA lebenden Glaubensgemeinschaft
Amish gelten als Bilderbuchpazifisten, sie lehnen eigentlich jede Gewalt ab. Umso befremdlicher war eine nächtliche Überfallserie, bei der vor rund einem Jahr Amish rasiert wurden - von
anderen Mitglieder der Glaubensgemeinschaft. Den Tätern drohen nun juristische Konsequenzen. Ein Geschworenengericht im US-Staat Ohio sprach am Donnerstag 16 Männer und Frauen, allesamt
Mitglieder eines extremen Clans, schuldig. Sie hätten im vergangenen Herbst Glaubensbrüdern und -schwestern gewaltsam Bärte oder Haare abgeschnitten und damit Hassverbrechen begangen. Als
Anstifter der Taten gilt Bischof Samuel Mullet. Die Staatsanwaltschaft warf dem 66-Jährigen vor, gegen Abweichler und religiöse Gegenspieler im vergangenen Herbst eine
"Terrorkampagne" gestartet zu haben. Bei fünf Gelegenheiten sollen seine Anhänger ihre Opfer in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und brutal Haare und Bärte abgeschnitten haben.
Staatsanwalt Steven Dettelbach sagte, die Angeklagten seien auf Mullets Geheiß in die Häuser der Opfer eingedrungen, hätten sie körperlich angegriffen und "fast wie Tiere
geschoren". Um eine Verurteilung wegen Hassverbrechen zu erreichen, musste die Staatsanwaltschaft beweisen, dass die Bartattacken religiös motiviert waren und damit mehr als nur eine
einfache Körperverletzung darstellen. BISCHOF ORDNETE ANGRIFFE AN, ANHÄNGER FÜHRTEN SIE AUS Die Geschworenen folgten dieser Argumentation - nun kommen auf Mullet und seine Anhänger
mehrjährige Gefängnisstrafen zu. Der Bischof selbst wurde schuldig gesprochen, die Angriffe angeordnet zu haben, nicht jedoch, daran teilgenommen zu haben. Seine Anhänger begingen nach
Überzeugung des Gerichts die Taten. Unter den Tatbeteiligten sind drei Söhne von Mullet. Wie der Nachrichtensender CNN berichtete, können nach US-Bundesrecht aus Hass auf Minderheiten
begangene Verbrechen in bestimmten Fällen sogar mit lebenslanger Haft bestraft werden. Mullet führt eine Amish-Gemeinde von rund 20 Familien, die in der abgelegenen Siedlung Bergholz rund
160 Kilometer von Cleveland entfernt leben. Zeugen beschrieben den Vater von 18 Kindern als autokratischen Herrscher über seine Gemeinde. So soll Mullet die Post seiner Anhänger geöffnet und
Vergehen mit Schlägen bestraft haben. Außerdem soll er mit mehreren jungen Frauen aus der Gemeinde Sex gehabt haben. Während des Verfahrens wurde die Gemeinschaft von mehreren Zeugen als
Sekte bezeichnet. Das genaue Strafmaß im Fall Mullet muss das Gericht noch verkünden. Als Datum wurde der 24. Januar 2013 angekündigt. Die Angriffe hatten die pazifistischen Amish
schockiert, denen jede Form von Rache verboten ist. Die Amish sind Angehörige einer Täufergemeinschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert vor allem aus Deutschland, der Schweiz und dem Elsass
in die USA auswanderte. Die Gemeinschaft zählt rund 260.000 Mitglieder, die meisten von ihnen leben in Pennsylvania und Ohio. Sie sind bekannt dafür, dass sie die meisten Aspekte des
modernen Lebens wie Autos oder Telefone ablehnen. siu/AFP