
- Select a language for the TTS:
- Deutsch Female
- Deutsch Male
- Language selected: (auto detect) - DE
Play all audios:
BONN. WIE GRUNDSCHÜLER AM BESTEN SCHREIBEN LERNEN IST HEFTIG UMSTRITTEN. BESONDERS DIE METHODE „LESEN DURCH SCHREIBEN“ IST STARK IN DIE KRITIK GERATEN. PSYCHOLOGEN DER UNIVERSITÄT BONN HABEN
JETZT VERSCHIEDENE METHODEN VERGLICHEN. Der „Fibelunterricht“ führt bei Grundschülern zu deutlich besseren Rechtschreibleistungen als mit den Methoden „Lesen durch Schreiben“ oder
„Rechtschreibwerkstatt“. Das haben Psychologen um Prof. Dr. Una Röhr-Sendlmeier von der Universität Bonn in einer groß angelegten Studie herausgefunden. Seit etlichen Jahren machten sich
viele Eltern Sorgen, weil ihre Kinder auch im dritten und vierten Schuljahr kaum die Regeln der Rechtschreibung beherrschen. „Sie fragen, ob dies auch mit der eingesetzten freien Lehrmethode
zusammenhängen könnte, nach der die Kinder nur nach ihrem Gehöreindruck schreiben sollen“, berichtet Professor Una Röhr-Sendlmeier von der Universität Bonn. Zusammen mit Tobias Kuhl hat die
Wissenschaftlerin ein Team geleitet, das die Rechtschreibleistungen von mehr als 3.000 Grundschulkindern aus Nordrhein-Westfalen systematisch untersucht hat. Die Wissenschaftler verglichen
dabei die Rechtschreibleistungen der Kinder, die mit drei unterschiedlichen Ansätzen das Schreiben erlernt haben, der Fibelmethode, „Lesen durch Schreiben“ und der „Rechtschreibwerkstatt“.
Grundschüler lernen demnach Rechtschreibung am besten kklassisch mit der Fibel. Der „systematische Fibelansatz“ führt schrittweise einzelne Buchstaben und Wörter ein. Gesprochene Wörter
werden unter Anleitung in Einzellaute zerlegt und jeder Laut einem Buchstaben zugeordnet. Fibeln sind so aufgebaut, dass die Kinder die Schriftsprache in einem fest vorgegebenen,
strukturierten Ablauf vom Einfachen zum Komplexen erlernen und einen schriftsprachlichen Grundwortschatz aufbauen. Hilfestellungen und Korrekturen durch die Lehrperson gehören dazu. Das
lange gängige Fibel-Lernen war mancherorts vor allem vom «Lesen durch Schreiben» nahezu verdängt worden, bis sich daran immer mehr Kritik entzündete, wie Bildungsforscherin Nele McElvany von
der Universität Dortmund erläutert. «Tatsächlich ist problematisch, dass es praktisch keine empirischen Studien gibt, was die Wirksamkeit dieser Methode angeht.» Beim Ansatz „Lesen durch
Schreiben“ (von Jürgen Reichen) werden Kinder angehalten, möglichst viel frei zu schreiben und das Lesen dabei mitlernen. Korrekturen falsch geschriebener Wörter sollen unterbleiben, weil
das die Kinder demotiviere. Dabei könne man Schüler sehr wohl Regeln und Prinzipien einüben lassen und sie zugleich mit positivem Feedback ermutigen, erklärt McElvany. Das Fibel-Lernen sei
regelgeleitet, baue strukturiert aufeinander auf und setze auf Übungsphasen. Das Ergebnis der Psychologen mit der Top-Note für den Fibel-Ansatz hält sie für «nicht unplausibel». Auch die
„Rechtschreibwerkstatt“ (von Norbert Sommer-Stumpenhorst) gibt den Schülern keine feste Abfolge einzelner Lernschritte vor, sondern stellt lediglich Materialien zur Verfügung, die die Kinder
selbstständig in individueller Reihenfolge und ohne zeitliche Vorgaben bearbeiten. Die Wissenschaftler testeten die Erstklässler kurz nach der Einschulung auf ihre Vorkenntnisse und
nachfolgend an fünf weiteren Terminen bis zum Ende des dritten Schuljahres mit der Hamburger Schreib-Probe. Sie erfasst als Standardverfahren die Rechtschreibleistungen von Schülern in Form
eines Diktats. „Die Fibelgruppe hat sich gegenüber den beiden anderen Didaktikgruppen als überlegen erwiesen. Zu allen fünf Messzeitpunkten haben die Fibelkinder bessere
Rechtschreibleistungen erbracht“, fasst der Doktorand Tobias Kuhl die Ergebnisse zusammen. So machten Kinder, die mit „Lesen durch Schreiben“ unterrichtet wurden, am Ende der vierten Klasse
im Schnitt 55 Prozent mehr Rechtschreibfehler als Fibelkinder. In der „Rechtschreibwerkstatt“ unterliefen den Schülern sogar 105 Prozent mehr Rechtschreibfehler als Fibelkindern. Tobias Kuhl
erläutert zu der Forschungsarbeit: «Wir sind wertfrei rangegangen.» Das «Lesen durch Schreiben» und die «Rechtschreibwerkstatt» führten nachweislich zu vielen Fehlern. Ein fest vorgegebener
Ablauf vom Einfachen zum Komplexen habe sich als klar überlegen erwiesen. „Die Studienergebnisse weisen klar darauf hin, dass alle Kinder gleichermaßen vom Einsatz einer Fibel im Unterricht
profitieren“, resümmiert Röhr-Sendlmeier. Die Überlegenheit des Fibelansatzes zeige sich sowohl bei Kindern mit deutscher Muttersprache als auch mit anderen früh erlernten Sprachen.
McElvany zufolge lasse die Studie allerdings insgesamt offen, ob es bei der Einschulung schon unterschiedliche Voraussetzungen bei den Kindern gab und inwieweit diese im Schulverlauf
erhalten blieben. Angesichts der teils dramatisch schwachen Kompetenzen sei eine Methodendebatte wichtig. Orthografie sei Fleißarbeit und müsse in den ersten Schuljahren geübt werden. «Es
ist wie auch das Lesen eine Kernkompetenz, die Grundschüler lernen müssen. Dafür brauchen sie in den Schulen und zuhause den zeitlichen Raum.» Der Bildungsverband VBE zeigte sich
hinsichtlich der neuen Ergebnisse skeptisch. Grundsätzlich sei es «nicht zielführend», die Rechtschreibfähigkeit als einzelnen Aspekt losgelöst von allen anderen Lernprozessen zu
untersuchen. Der Vorsitzende Udo Beckmann meint: «Eine einseitig festgelegte Rückkehr zum Unterricht mit der Fibel ist keine Lösung.» Die Bonner Wissenschaftler hätten ihre Studienergebnisse
bereits der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin mitgeteilt. Offiziell vorgestellt wird die Studie beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Frankfurt am Main.
(News4teachers mit Material von dpa) > Die verbundene Schrift erschwert das Schreibenlernen! Warum wird sie > Grundschülern immer noch vermittelt?