Trumps angriff auf die wissenschaft: „das ziel ist kontrolle und unterwerfung“

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Gefeuerte Wissenschaftler, Forschungsthemen auf dem Index, Unis verlieren ihre Finanzierung: Was in den USA geschieht, macht Einmischung nötig, sagt der Vorstandsvorsitzende der Berliner


Einstein-Stiftung. Ein Gastbeitrag von Martin Rennert Die Welt ist eine andere geworden. Vielleicht sollten wir jedoch eher sagen: Wir haben zu lange die Augen verschlossen vor dem, was


schon seit Jahren zu erkennen war. Der mörderische Krieg Wladimir Putins gegen die Ukraine. Der entsetzliche Überfall der Hamas auf Israel, der schreckliche Krieg im Gazastreifen. Die Kriege


in Sudan und Myanmar. Das bedrohte Taiwan. Das Hinzugewinnen von Prozent um Prozent extrem rechter, vielfach neofaschistischer Parteien in Europa und auf der Welt. Ich könnte fortfahren mit


der Aufzählung, all dies und mehr begleitet uns seit Jahren. Aber wie sehr „alles in´s Ungewisse schwankt“, wie Goethe sagte, erkennen wir deutlicher offenbar erst jetzt. In den USA sind


Universitäten nun feindliche Institutionen. Mittels Dekreten wurden Impfprogramme und unter vielem anderen auch weite Teile der Krebsforschung beendet. Es gibt flächendeckende Arbeitsverbote


und Kündigungen in wissenschaftlichen Einrichtungen. Bewilligte Fördermittel werden nicht ausgezahlt. Es herrscht bei vielen – speziell unter Nachwuchswissenschaftlerinnen und


-wissenschaftlern –  Angst und Chaos. Das zweite Ziel der gegenwärtigen Maßnahmen sind die großen Bundesbehörden: die National Science Foundation, die National Institutes of Health (NIH),


die weltweit größte Fördereinrichtung für Forschung in der Medizin. Über 80 Prozent der Zahlungen für diese Institutionen seien seit Februar einbehalten oder eingefroren worden, sagt die


Präsidentin der Akademien der Wissenschaften der USA, Marcia McNutt. Gerichtsbeschlüsse werden einfach ignoriert. Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen von


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oder widerrufen können. Das Ziel ist Kontrolle und Unterwerfung. Aber wovon? Universitäten sind Orte der freien Rede und der offenen Fragen. Aber Wissenschaften, wie auch Schulen,


Verwaltung, Gerichte müssen aus der Sicht von Autokraten kontrolliert und ihren Zielen dienlich sein. Jede Autonomie ist bedrohlich, jeder Protest zugleich illegitim. > Was sich hier 


ereignet ist eine fundamentale Veränderung des > Klimas, in welchem die Forschung sich findet – weit über die USA > hinaus. MARTIN RENNERT, Vorsitzender der Einstein-Stiftung Was


überrascht uns daran? J.D.Vance sagte schließlich bereits 2022, dass alle Professoren sofort gefeuert werden sollten. Er wiederholte dies seither immer wieder, zuletzt vergangene Woche, und


ein Echo hören wir auch von einer Partei hier in Deutschland. Man könnte hoffen, dass der Spuk nach vier Jahren vorbei sein wird. Das glaube ich nicht. Was sich hier ereignet ist eine


fundamentale Veränderung des Klimas, in welchem die Forschung sich findet – weit über die USA hinaus. Ja, ein sehr ungünstiges Klima: bleiben wir einen Moment bei diesem Wort. Wir erleben,


wie eine alternative Realität konstruiert wird: von der orwellschen Streichung des Begriffs „Klima“ von Regierungswebsites in den USA bis hin zur Ausrufung eines nationalen


„Energienotstands“ – und das, obwohl die USA nach mehr Öl und Gas bohren als jedes andere Land in der Geschichte. Wir sehen in den USA die Massenentlassung von Mitarbeitern der


Umweltschutzbehörde, Abschaffung von Regeln zur Klimaresilienz, das Einfrieren oder beenden der wissenschaftlichen Klimaforschung. Wir wissen, obwohl manche es leugnen: Die Klimakrise ist


eine Krise der Menschheit, am meisten aber für diejenigen, die in den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Gebieten der Welt leben. Das sind nicht die Reichsten. Wir wissen, dass sie große


Völkerwanderungen auslösen wird, deren Vorahnung bereits jetzt zu dem führt, was wir an Wahltagen erleben. Wir wissen aber auch, dass die durch unseren eigenen Eskapismus und unsere


indolente Blindheit ausgelöste Umweltkatastrophe die kommenden Generationen auf der ganzen Welt massiv betreffen wird. Wenn wir von „Generationengerechtigkeit“ sprechen, ist das mein erster


Gedanke. Der reichste Teil der Erde wacht also auf, öffnet die Augen und sieht, dass es nur weniger Zeichen mit einem dicken Filzstift bedarf, um die Realität zu leugnen, um uns jede


Gewissheit, jeden Glauben an das langsame, so langsame, aber dennoch manchmal sichtbare Wachsen unserer Erkenntnisfähigkeit zu nehmen. Unsere Verantwortung wächst. Gegenüber Ablenkung und


Leugnung allerorten wächst sie umso schneller. > Unsere Verantwortung wächst. Gegenüber Ablenkung und Leugnung > allerorten wächst sie umso schneller. MARTIN RENNERT, Einstein-Stiftung


Die Arbeit der Einstein-Stiftung besteht darin, die Wissenschaft zu fördern, Berlin zu einem Zentrum der Forschung werden zu lassen. Das tun wir in enger Partnerschaft mit den Universitäten


des Landes und der Charité. Wir fördern Menschen – über 300 außerordentliche Personen aus allen Fachrichtungen in den letzten Jahren – und wir fördern große Strukturen die sich den


wichtigen Fragen widmen, etwa Einstein Zentren, von der Digitalen Zukunft bis zu Population Diversity, von Katalyse bis zu Regenerativen Therapien, Climate Change, Mathematik, Neuro- und


Geisteswissenschaften; gegenwärtig wird an einem Zentrum für Global Health gearbeitet. Wir bringen herausragende Personen aus aller Welt als Einstein Professorinnen und Professoren nach


Berlin. Und wir helfen verfolgten Wissenschaftlern: Erst vor kurzem entwickelten wir ein Programm zur engen Zusammenarbeit mit israelischen Forschungseinrichtungen, unterstützen die Berlin


University Alliance in ihrer zukunftsweisenden Partnerschaft mit Oxford. Auch in Zeiten, in welchen gespart werden muss, wird unsere Arbeit nicht weniger, im Gegenteil. Wissenschaft,


Wirtschaft, Politik und Kunst müssen zusammenkommen. Forschungseinrichtungen dürfen auch und gerade in schweren Zeiten keine Bastionen werden. Sie müssen offen sein, im Gespräch bleiben,


erklären, einbeziehen. Wenn man an die Gefahren am schon sehr nahen Horizont denkt, meine ich, dass immer intensiv und entschlossen auch das Gegenmittel bedacht werden muss: Bildung. So


unterschiedlich wir alle sein mögen, so teilen wir doch alle eines: das Privileg, Bildung genossen zu haben. Das verbindet uns, das verpflichtet uns aber ebenso, täglich mehr. Die


Einstein-Stiftung arbeitet für die exzellente Wissenschaft in Berlin. Aber an der Stadtgrenze hört unsere Zuständigkeit nur formal auf, denn das Wort Exzellenz ist schillernd. Es steht im


weitesten Sinn für die Fähigkeit und den Willen zuzuhören, sich selbst und anderen auf der ganzen Welt, Fragen zu stellen und Antworten zu suchen. Am Ende gibt es in der Wissenschaft keine


Sieger, weil sie kein Turnier ist. Und steht man für Exzellenz ein, so betrifft einen die Welt, die internationale Situation – und nicht nur jene der Wissenschaft – immer. Im Sinne Albert


Einsteins: Einmischung ist dringend vonnöten, auch von uns.