
- Select a language for the TTS:
- Deutsch Female
- Deutsch Male
- Language selected: (auto detect) - DE
Play all audios:
AffentheaterWissenschaftler erforschen die Kultur der SchimpansenZugegeben, Schimpansen lesen keine Bücher und gehen nicht ins Kino. Aber ungebildet sind sie deshalb noch lange nicht. Im
Gegenteil: Wie einige namhafte Primatenforscher jetzt in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" verkündet haben, landen Schimpansen hinsichtlich der bei ihnen beobachteten kulturellen
Vielfalt auf Platz zwei — gleich nach den Menschen.VonHans-Arthur Marsiske22.06.1999, 11.24 UhrZur Merkliste hinzufügen X.com Facebook E-Mail Link kopieren Weitere Optionen zum Teilen X.com
Facebook E-Mail Messenger WhatsApp Link kopierenDieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?
Um die Verschiedenheit von Verhaltensweisen bei Menschenaffen zucharakterisieren, verwenden Wissenschaftler schon seit längerem den bislang demMenschen vorbehaltenen Kultur-Begriff. Um diese
Terminologie auf eine solidereBasis zu stellen, wurden für die "Nature"-Studie die sieben bedeutendstenLangzeitbeobachtungen von Schimpansen herangezogen, die insgesamt eineBeobachtungszeit
von 151 Jahren repräsentieren.
Kulturelle Vielfalt: Schimpansen
Foto: APAndrew Whiten von der University of St. Andrews in Schottland und Christophe Boesch vom LeipzigerMax-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie erstellten zunächst eine Liste mit
komplexen Verhaltensweisen, die zurKennzeichnung verschiedener Schimpansenkulturen geeignet schienen. Diese Listewurde von Forschungskollegen ergänzt und umfaßte am Ende 65 Einträge.
Dannwurden die wissenschaftlichen Leiter der jeweiligen Langzeitstudien gebeten,diese Verhaltensweisen hinsichtich ihrer Verbreitung in den von ihnenbeobachteten Schimpansengemeinschaften
einzustufen. Sechs Kategorien standen zurAuswahl, je nachdem ob das Verhalten üblich, verbreitet, vereinzelt vorhanden,abwesend, abwesend aufgrund spezifischer ökologischer Bedingungen oder
abwesendaufgrund fehlender Beobachtungsmöglichkeiten war.Am Ende blieben 39 Verhaltensweisen übrig, die bei manchenSchimpansengemeinschaften gänzlich unbekannt, bei anderen aber üblich oder
verbreitet waren.
Die Variationen betreffen insbesondere Unterschiede bei derBrautwerbung, der gegenseitigen Körperpflege und beim Umgang mit Werkzeugen. Sobenutzen manche Schimpansenhorden lange Gerten, um
Ameisen einzusammeln, die siedann mit der freien Hand abstreifen und essen. In anderen Horden werden dafürkurze Stöcke verwendet, mit denen kleinere Mengen von Ameisen wie mit einerGabel
aufgesammelt und direkt in den Mund geführt werden. Parasiten, die bei derKörperpflege entdeckt werden, werden mancherorts direkt mit dem Fingerzerdrückt, bei anderen Horden zwischen den
Fingern zerquetscht oder auchzunächst genauer untersucht.Diese Vielfalt an Verhaltensweisen resultiert offensichtlich ausunterschiedlichen kulturellen Traditionen, die durch komplexe
Lernprozesse annachfolgende Generationen weitergegeben werden. Sie übertrifft alle bisher vonPrimatenforschern geäußerten Erwartungen.
StartseiteFeedback