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BEITRAG WURDE AM 08.08.2019 AUF BENTO.DE VERÖFFENTLICHT. Im Café des Verwaltungsgebäudes der Universität Hamburg rieselte es Konfetti. Die Pressefotos auf der Homepage zeigen die
Partystimmung nach der großen Verkündung vor zwei Wochen: Die Universität Hamburg zählt jetzt zu einer der elf Exzellenzuniversitäten Deutschlands. Für den Titel bekommt sie zusätzlich 10
bis 15 Millionen Euro jährlich an Fördergeld. Uni-Präsident Dieter Lenzen will 24 Projekte mit dem Millionen-Bonus bezahlen. EXZELLENZUNIVERSITÄT – WIE LIEF DAS VERFAHREN? Im Rahmen der
sogenannten Exzellenzstrategie des Bildungsministeriums lief bereits seit mehreren Jahren ein Auswahlverfahren für die Eliteförderung. In der ersten Runde wählte eine Kommission aus
internationalen Experten und Expertinnen 57 sogenannte Exzellenzcluster aus. Das sind international wettbewerbsfähige Forschungsfelder, die nun jedes Jahr insgesamt 385 Millionen Euro von
Bund und Ländern bekommen. Die Universitäten, die es in zwei dieser Cluster schafften, durften sich um den Titel "Exzellenzuniversität" bewerben. Hamburg erhielt im Herbst 2018 den
Zuschlag für vier Cluster und insgesamt etwa 164 Millionen Euro. Jetzt folgte der zusätzliche Titel und die jährliche Förderung über 15 Millionen Euro. Elisa Schaum, 35, ist
Junior-Professorin für Planktonökologie an der Uni Ham-burg. Vergangene Woche erhielt sie die Nachricht, dass ihr Forschungsprojekt künftig mit einem Teil der Fördergelder für den
Exzellenzunititel bezahlt wird. WIR HABEN MIT IHR UND DEM ASTA ÜBER DIE EXZELLENZSTRATEGIE GESPROCHEN. IM PRO UND KONTRA DISKUTIEREN BEIDE PARTEIEN DAS FÜR UND WIDER. Während Schaum sich
über zusätzliches Personal freuen würde, glaubt Karim Kuropka vom Asta, dass eine Zwei-Klassen-Unilandschaft entsteht. Statt gemeinsam die Forschung voranzutreiben, würden Unis sich im Kampf
um Geld gegenseitig ausstechen wollen. _Elisa Schaum bekam den Zuschlag für einen Teil ihres Forschungsprojekts an aquatischen Viren, also Viren im Wasser. Es gibt 100 Millionen aquatische
Viren pro Milliliter Meerwasser, so die Wissenschaftlerin. Weil sie aber nicht krank machten, seien sie bisher wenig erforscht. Die Junior-Professorin möchte das ändern und herausfinden, wie
aquatische Viren mit Phytoplankton interagieren. Das sind jene Kleinstlebewesen, die global etwa soviel Sauerstoff produzieren wie alle Regenwälder gemeinsam._ ELISA SCHAUM, 35,
JUNIOR-PROFESSORIN FÜR PLANKTONÖKOLOGIE "Ich freue mich sehr, dass mein Antrag im vollen Umfang von mehreren Tausend Euro bewilligt wurde. Es bleibt aber nicht nur bei der Förderung
einzelner Projekte wie meinem. Es gibt Stipendien für die Karrierestufe zwischen Promotion und Professur und es ist geplant, die Uni weiter zu internationalisieren. Nur so kann erfolgreiche
Forschung gelingen. Die Exzellenzstrategie hat aus meiner Sicht die beteiligten Unis dazu gebracht, enger zusammenzuarbeiten, um bei der Bewerbung für die Exzellenzcluster bessere Chancen zu
haben. Ob es aufgrund der Cluster mehr Konkurrenz gibt, hängt viel mehr von der Persönlichkeit der Forschenden ab. Das lässt sich nun mal nicht vermeiden. Wir als Meeresbiologen und
Biologinnen verbringen sehr viel Zeit auf sehr kleinen Schiffen. Wir können es uns gar nicht leisten, uns als Konkurrenz zu sehen. Mein Albtraum wäre es, wenn es in Deutschland das Phänomen
wie in England oder den USA gäbe. Dort werden Studierende mitunter belächelt, wenn sie nicht eine der Eliteuniversitäten besucht haben. Gleichzeitig ist das Studium dort einer sehr
priviligierten Minderheit vorbehalten. Aber das ist sicher nicht das Ziel der Exzellenzstrategie. Viel mehr geht es darum, die deutschen Unis international wettbewerbsfähiger zu machen. Der
Exzellenztitel wird hoffentlich in Zukunft dabei helfen, Forschende von anderen internationalen Unis zur Zusammenarbeit zu bewegen. Die Lehre wird unter der Exzellenzstrategie nicht leiden –
im Gegenteil. Es ist vertraglich festgeschrieben, wie viel wir lehren. Aber mit dem Geld der Exzellenzcluster können Doktorandinnen und Doktoranden eingestellt werden, die sich parallel um
die Forschung bemühen. Und spätestens, wenn die Studierenden Bachelor- oder Masterarbeiten schreiben, profitieren sie davon, weil sie in die neue Forschung eingebunden werden können."
_Von Seiten der Studierendenvertretungen der Unis kommt derweil Kritik an der Exzellenzstrategie. Einige wenige Universitäten bekommen massive finanzielle Unterstützung, während der Rest mit
enormen finanziellen Problemen kämpfen müsse, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung von zehn Studierendenvertretungen der Unis, die zur Auswahl standen. Auch an der Uni Hamburg gibt
es nicht nur Freude über den neuen Exzellenz-Status. _ KARIM KUROPKA, 31, ERSTER VORSITZENDER DER STUDIERENDENVERTRETUNG DER UNI HAMBURG, ER STUDIERT GERMANISTISCHE LINGUISTIK IM MASTER.
"Am Ende des Exzellenzwettbewerbs erhalten einige wenige Leuchtturm-Universitäten in der deutschen Hochschullandschaft zusätzliche Geldmittel, während alle anderen Universitäten
unterfinanziert bleiben. Die Qualität der deutschen Hochschullandschaft liegt in einem breit aufgestellt Angebot. Dieses Angebot könnte dabei unter die Räder kommen. Zusätzlich besteht die
Gefahr, dass sich ein Zwei-Klassen-System etabliert: So haben zum Beispiel die Standorte Hamburg, Berlin und München den Exzellenztitel bekommen, wodurch ein zusätzlicher Anreiz für
Studienanfänger entsteht, in diese Städte zu ziehen. Doch das kann sich nicht jeder Mensch leisten. In den großen Exzellenz-Universitätsstädten sind die Mieten und Lebenshaltungskosten schon
jetzt sehr hoch und durch die erhöhte Nachfrage werden sie weiter steigen. Es werden also nur Studierende an den Exzellenzunis studieren, die sich die teuren Städte auch leisten können. Das
verschärft die soziale Ungleichheit noch mehr und sorgt für weniger Aufstiegschancen im Bildungssystem. Statt einer Exzellenzstrategie fordern wir daher eine dauerhafte, im Haushalt
festgeschriebene, bessere Finanzierung aller Hochschulen bundesweit. Das Problem des Exzellenzwettbewerbs steckt auch im Wort "Wettbewerb". Wissenschaft sollte ein Dialog sein.
Wenn man Wissenschaft jedoch als Wettbewerb sieht, entsteht ein System, in dem sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht mehr austauschen, sondern in Konkurrenz zueinander stehen.
Das ist für gute Wissenschaft nicht zuträglich. Durch die Exzellenzcluster haben wir an der Uni Hamburg eine starke Fokussierung auf die Forschungsbereiche erlebt, die das Potenzial zum
Exzellenzcluster hatten. Darunter haben viele andere Fachbereiche gelitten, indem unter anderem Professuren, die frei geworden sind, unbesetzt blieben, um sie in die Exzellenzbereiche zu
verlegen. Wenn wir entscheiden dürften, würden wir das zusätzliche Fördergeld für den Exzellenzuni-Titel in die Lehre stecken. Das heißt, das Lehrpersonal erweitern und die umfassende
Versorgung an Einführungskursen sicherstellen. "