Was wurde aus michael sam, dem schwulen nfl-footballer?

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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Es war


der Moment, der den US-Sport erschütterte: College-Footballstar Michael Sam brach in Tränen aus, krümmte sich, sank seinem Partner Vito Cammisano in die Arme und küsste ihn - einmal,


zweimal, dreimal. 10. Mai 2014: Wie jedes Jahr suchte die US-Profiliga NFL Nachwuchs, doch auch in der siebten Runde des Drafts fand Sam kein Team. Dann die Nachricht: Die St. Louis Rams


wollten ihn - als 249. von 256 Spielern, die letztlich den Sprung schafften. Solche Momente sind immer emotional. Was die USA aber schockierte und die live vom Sportsender ESPN übertragene


Szene zum millionenfachen YouTube-Hit  machte: Drei Monate zuvor hatte sich Sam als schwul geoutet. Jetzt war er also der erste offen homosexuelle NFL-Spieler - ein neuer Triumph einer


Bewegung, die immer größere Schritte voran macht, doch im Sport weiter hinterherhinkt. Inzwischen aber ist die Euphorie verflogen - und Sams Zukunft als Profi-Footballer ungewisser denn je.


"Ich habe alles richtig gemacht", beharrte er kürzlich im Interview mit Talk-Queen Oprah Winfrey. "Ich bin stolz, wie ich die Dinge gehandhabt habe." Doch nach


monatelanger Odyssee steht Sam, 25, heute ohne Team da, ohne professionelle Heimat, ohne sportliche Anerkennung - und das kurz vor dem Super-Bowl-Endspiel am 1. Februar. Zwar wuchs er über


Nacht zum Helden: US-Präsident Barack Obama gratulierte. Das Magazin "GQ" kürte ihn als "Man of the Year" zum Coverboy-Sexsymbol  ("Michael der Mutige") und lud


zur Gala nach Hollywood, wo Sam und Cammisano - ein Schwimmer, den Sam seit frühen College-Zeiten kennt - ihren Kuss wiederholten. Doch die skandalgeplagte Macho-Liga NFL hat kapituliert


vor der virulenten Homophobie in ihren Rängen und die Tür wieder zugeschlagen. Fotostrecke Vorwürfe gegen Football-Stars: Skandale in der NFL Foto: Mel Evans/ AP/dpa Das deutete sich schon


gleich nach dem Draft an, einem von Sponsoren finanzierten Medienspektakel. Von Anfang an gab es auch heftige Gegenreaktionen. Nicht nur die üblichen Schwulenhasser schrien auf - auch andere


hatten Mühe, bei all dem Hype Sams sportliche Leistung objektiv zu würdigen. Selbst ESPN: Obwohl es Sam einen Preis verlieh, interessierte es sich mehr dafür, ob die Rams denn mit ihm


duschen würden - eine idiotische Frage, genährt von anonymem Grummeln aus dem Team. Einzelne Spieler und Trainer waren sogar offen feindlich. Er hätte Sam nie angestellt, sagte Tony Dungy,


der die Indianapolis Colts 2007 zum Super-Bowl-Sieg führte. "Ich würde mit all dem nichts zu tun haben wollen." Im August ließen die Rams Sam fallen. "Die lohnenswertesten


Dinge im Leben sind selten leicht", twitterte er. Kein anderes Team wollte ihn haben. Schließlich holten ihn die legendären Dallas Cowoys in ihren Trainingskader. "Ein Traum wird


wahr", freute sich Sam - verfrüht. Denn auch die Cowboys verstießen ihn - aus rein sportlichen Gründen, wie sie versicherten. Das überzeugte niemanden, der wusste, wie gut Sam war.


"Dass Sam trotz einer produktiven Pre-Season nicht verpflichtet wurde", empörte sich NFL-Kolumnist Mike Freeman ("Bleacher Report"), "ist beispiellos."


Fotostrecke Homosexuelle in den USA: Die Liberalisierung und ihre Gegner Foto: NOAH BERGER/ AP Ein Mannschaftsmanager, berichtete Freeman, habe ihm hinter vorgehaltener Hand gesagt:


"Die Teams wollen Michael Sam unter Vertrag nehmen, fürchten aber den Medienrummel." Auch das schien eine müde Ausrede dafür zu sein, dass die NFL, trotz oft guten Willens, bis


heute nicht mit ihrer verinnerlichten Homophobie umgehen kann. "Ich bin verblüfft, dass das überhaupt noch jemand anzweifeln kann", schreibt der Schwulenaktivist Michelangelo


Signorile. In der Tat hat die NFL eine lange schwulenfeindliche Tradition: Beschimpfungen, Diskriminierung und hässliche Zwischenfälle blieben oft unbestraft, und vor Sam hatte es noch nie


ein offen schwuler Spieler in die Liga geschafft. Dabei gibt es außer Sam noch andere. Etliche homosexuelle Spieler hätten sich ihm nach seinem Coming-out anvertraut, sagte er Oprah Winfrey.


"Es gibt viele von uns." Sich offen zu zeigen, wagte bisher aber keiner. Trotzdem bereut er nichts. Vielleicht hätte er es heute anders inszeniert, sagte er "GQ" in


Anspielung auf seinen aggressiven Hollywood-Publizisten Howard Bragman, von dem er sich seitdem getrennt hat. "Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich es nie so getan." Wie dann?


"Es meinem Team und meinen Trainern sagen, das war's." Jetzt hofft Sam auf die Off-Season. Oder auf Kanada: Ende des Jahres streckten die Montreal Alouettes die Fühler nach


ihm aus. Aufgegeben hat er nicht: "Jetzt bin ich ganz unten. Ich kann aufsteigen, kann zeigen, dass ich ein Football-Spieler bin. Sonst nichts. Nur ein Football-Spieler." Den


Jahreswechsel verbrachten Sam und Cammisano in Italien. Seit dieser Woche sind sie verlobt. Die Serie "WAS WURDE AUS...?" spürt Themen und Menschen nach, die einst die Schlagzeilen


beherrschten, dann aber aus dem Blickfeld verschwanden. Wir recherchieren, wie sich die Ereignisse fortentwickelt haben, und erzählen die Geschichte weiter. Jetzt können Sie mitentscheiden,


welche Themen wir auswählen: Schicken Sie bitte Ihren Themenvorschlag anmailto:[email protected] Wir freuen uns auf Ihre Anregungen und Ihre Hinweise, die uns bei der Recherche helfen.


Selbstverständlich behandeln wir Ihre Angaben vertraulich. Ihre Redaktion von SPIEGEL ONLINE AUSSERDEM IN DIESER SERIE ERSCHIENEN: Nokia, Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust,


Talkshowmoderatorin Arabella Kiesbauer, Ehec, Steinkohlebergbau, Radstar Jan Ullrich, Ägyptens Ex-Diktator Hosni Mubarak, Aids, Deutschlandstipendium, Transrapid, Dioxin, Prokon, Chatportal


Knuddels, "Costa Concordia" und viele mehr. Im Überblick: Alle Folgen der Serie "Was wurde aus...?