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------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Auf den
ersten Blick hätte man denken können, Jean-Éric Vergne verteile Flyer für eine Party. Doch dem Fahrer vom Formel-1-Team Toro Rosso ist derzeit überhaupt nicht nach feiern, sein Anliegen war
ein sehr ernstes: Vergne verteilte im Fahrerlager im russischen Sotschi Aufkleber, auf denen in französischer Sprache stand: "Tous avec Jules" - "Alle mit Jules". Gemeint
ist Jules Bianchi, wie Vergne Franzose. Bianchi liegt seit seinem schweren Unfall mit seinem Marussia-Rennwagen beim vergangenen Formel-1-Rennen in Suzuka mit einem Schädel-Hirn-Trauma in
Japan im Krankenhaus. Beim Rennen am Sonntag (13 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV: RTL und Sky) sollen die Fahrer, so Vergnes Anliegen, die Aufkleber an ihren Autos und Helmen anbringen
und damit ihre Verbundenheit mit dem verletzten Kollegen zeigen. Eine ähnliche Aktion hatte es bereits zu Beginn der Saison nach dem Skiunfall von Michael Schumacher gegeben, als auf vielen
Autos zu lesen war: "KeepFightingMichael" - "Kämpf weiter, Michael". Marussia kündigte zudem an, aus Respekt vor Bianchi keinen Ersatzfahrer an den Start zu schicken. So
bestreitet das Team das Rennen mit nur einem Fahrer, nämlich Max Chilton. Bianchis Gesundheitszustand ist nach wie vor "kritisch, aber stabil", wie es offiziell heißt. Und auch zu
den Gründen des Unfalls gibt die Fia keine Neuigkeiten heraus, dabei hat sie womöglich welche. Denn der Automobilweltverband verfügt über bislang geheime Filmaufnahmen und Telemetriedaten
des Unfallwagens, die möglicherweise die eigene Schuld Bianchis an dem Crash dokumentieren. Aber die Fia will ihre Ergebnisse derzeit nicht veröffentlichen. BEOBACHTER SAGEN, BIANCHI SEI ZU
SCHNELL GEWESEN "Es wäre unfair gegenüber Bianchi, weil er sich im Augenblick nicht verteidigen kann", zitiert die Fachzeitung "Auto, Motor und Sport" einen
Fia-Offiziellen. Eine Aussage, die zu den Vermutungen passt, Bianchi habe in Suzuka einen Fahrfehler begangen. Beobachter der Unfallszene berichten in Sotschi, dass der 25-Jährige mit sehr
hoher - womöglich zu hoher - Geschwindigkeit auf dem regennassen Kurs in Japan unterwegs gewesen war. In Kurve sieben war das Heck des Marussia ausgebrochen, Bianchi habe dann wohl falsch
reagiert, weshalb das Auto geradeaus in einen Bergungskran raste. Bianchis Unfall war der schlimmste seit dem Tod von Ayrton Senna 1994 in Imola. Und seit dem Crash von Suzuka wird darüber
diskutiert, wie man die Formel 1 sicherer machen kann. In der Debatte rückt dabei vor allem eine Maßnahme immer mehr in den Mittelpunkt: komplett geschlossene Cockpits. MEHRERE GRÜNDE
SPRECHEN GEGEN VERGLASTE COCKPITS Allerdings ist diese Idee nicht neu, sie wurde schon mehrfach diskutiert - und wieder verworfen. Denn gegen ein voll verglastes Cockpit sprechen vor allem
drei Gründe: * Im Falle eines Feuerunfalls muss der Pilot so schnell wie möglich aus dem Auto klettern können. Man mag sich kaum vorstellen, was passiert, wenn in einem solchen Fall die
Cockpithaube klemmt und sich nicht öffnen lässt. * Damit die Cockpitverglasung auch größeren umherfliegenden Teilen Stand hält, müsste sie entsprechend dick sein. Das könnte aber optische
Verzerrungen und damit Sichtprobleme nach sich ziehen. * Durch ein geschlossenes Cockpit können Unfallfolgen wie bei Bianchi nicht gänzlich verhindert werden. Im Falle des Franzosen sind
nicht die äußerlichen Kopfverletzungen das Problem, was der nur wenig beschädigte Helm dokumentiert; die schweren Schädigungen des Kopfes resultieren aus den massiven Kräften, die bei einem
solchen Aufprall auf das Gehirn wirken. Daher hätte Bianchi wohl auch mit einem geschlossenen Cockpit ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. "Das Thema geschlossenes Cockpit ist ein nicht
ganz einfaches, weil es gute Gründe dafür und dagegen gibt", sagt der amtierende Weltmeister Sebastian Vettel. Der Red-Bull-Pilot warnt vor überstürzten Maßnahmen, die nun aus der
Emotionalität heraus gefordert würden. Er gibt zu bedenken: "Die Formel 1 ist im Laufe der Zeit schon sehr sicher geworden. Aber wir fahren die schnellsten Rennautos der Welt, dabei
können Unfälle passieren. Und wir kennen die Risiken." Vettel und seine Kollegen stehen auch in Sotschi noch unter dem Eindruck des schlimmen Unfalls in Japan, das ist offensichtlich.
Lotus-Pilot Romain Grosjean, neben Bianchi und Aufkleber-Initiator Vergne der dritte Franzose im Fahrerfeld, versuchte die gedrückte Stimmung im Fahrerlager zumindest ein kleines bisschen zu
heben: "Wenn Jules uns jetzt etwas sagen könnte, dann: Los Freunde, ihr habt einen Grand Prix vor euch, also fangt an."