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OLG München: Aussage von Beate Zschäpe für Dezember angekündigt
Vor dem Landgericht München II begann im Januar 2012 ein spektakulärer Mordprozess. Zwei Mädchen im Alter von acht und elf Jahren waren im Jahr zuvor, in der Nacht zum 24. März 2011, in der
Wohnung ihrer Mutter in Krailling auf brutale Weise ermordet worden. Die unbegreifliche Tat erschütterte die Menschen in der bayerischen Landeshauptstadt.
Die Mutter hatte die Kinder abends zu Bett gebracht, ehe sie die Wohnung verließ, um in einem Lokal in der Nähe zu arbeiten. Als sie nachts zurückkehrte, fand sie einen Tatort vor, der
darauf schließen ließ, dass die Kinder in Todesangst verzweifelt um ihr Leben gekämpft hatten, ehe der Täter sie drosselte, auf sie einschlug und schließlich erstach.
Angeklagt war Thomas S., ein gelernter Postbote, mit dem die Schwester der Mutter verheiratet war - der Onkel der Opfer. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, aus Habgier heimtückisch getötet
zu haben. Denn die Familie von Thomas S. befand sich in finanziellen Schwierigkeiten, denen die Schwester der Ehefrau hätte möglicherweise abhelfen können, dies aber zum erwarteten
Zeitpunkt nicht tat.
Rasch geriet S. unter Verdacht, bestritt aber, das Verbrechen an den Kindern begangen zu haben. Von Beginn des Prozesses an schwieg er. Je mehr Zeugen, Ermittler und Gutachter aber vom
Gericht gehört und je mehr Beweismittel vorgelegt wurden, desto klarer wurde, dass S. die Kinder ermordet hatte.
Ende März schien es für den schweigenden Angeklagten keine Möglichkeit mehr zu geben, einer Verurteilung zur Höchststrafe zu entgehen. Das Gericht kündigte an, die Beweisaufnahme schließen
zu wollen. Da ergriff S. plötzlich das Wort - ohne Absprache mit seinen Verteidigern Adam Ahmed und Eva Gareis.
Es war eine absurde Situation: Da redete sich ein Angeklagter um Kopf und Kragen, stritt ab, was längst nicht mehr zu bestreiten war, beschuldigte die Ermittler der Manipulation und
Unfähigkeit und verfing sich in hanebüchenen Ausreden. Und Verteidiger Ahmed musste im Gerichtssaal erklären, die Verteidigung sei es nicht gewesen, die mit dem Angeklagten diese Aussage
besprochen habe.
In der Urteilsbegründung sagte damals der Vorsitzende Richter Ralph Alt, wenn das Gericht noch irgendeinen Zweifel an der Schuld von S. gehabt hätte - mit dieser Aussage wäre er ausgeräumt
worden. S. wurde denn auch zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt.
Inzwischen ist bekannt, wer Thomas S. damals hinter dem Rücken seiner Verteidiger beraten hatte, von der Schweigestrategie abzuweichen: Rechtsanwalt Hermann Borchert.
Münchner Strafverteidiger sehen heute Parallelen zum NSU-Prozess, wo Borchert sich zur Überraschung der angestammten Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl vor wenigen
Tagen erst als Wahlverteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe auswies, um nach bald 250 Verhandlungstagen einen ähnlichen Strategiewechsel in der Verteidigung anzukündigen. Ohne bisher
an einem einzigen Sitzungstag teilgenommen zu haben.
Noch etwas fällt im Zusammenhang mit dem Namen Borchert auf: Wer im Internet nach ihm forscht, stößt auf verschiedene Titel: zum Beispiel Dr. Borchert. Oder JUdr. Borchert. Oder juDr.
Borchert. Auf Anfrage erklärte der Anwalt, sich dazu nicht äußern zu wollen, "um jede Spekulation auszuschließen". Unterschrieben hat er die Auskunft mit "Dr. Hermann Borchert".
Auf seiner offiziellen Kanzleiseite und seinem Briefkopf führt der Anwalt den Titel JUDr. Dies ist so etwas wie ein kleiner Doktorgrad der ehemaligen CSSR, den es heute noch in Tschechien
und der Slowakei gibt. Es handelt sich um einen akademischen Grad, der im Original als "Doktor práv" (übersetzt "Doktor der Rechte") verliehen wird. Im Herkunftsland werden die Gradinhaber
als Doktor angeredet, ebenso in Österreich. Der Erwerb dieser Grade bürgt allerdings nicht für eigenständige wissenschaftliche Forschung. Mit dem deutschen Doktorgrad ist der JUdr. nicht zu
vergleichen.
Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Bamberg entschied in einem Urteil vom 25. Mai 2011, dass das Führen eines Doktortitels, der mit dem deutschen Doktorgrad nicht zu vergleichen ist,
als "irreführende Werbung" anzusehen sei. Sofern Borchert keinen Doktortitel in Deutschland oder einer sonst anerkannten Universität erworben haben sollte, darf er den Titel JUdr. also nicht
in Form des Dr. führen.
Aus dem Abkommen ergibt sich zudem die fehlende Gleichartigkeit des JUDr. oder Dr.práv. im Vergleich zum deutschen Doktortitel. Wird dieser durch eine Promotion erworben, befähigt im
Vergleich dazu der ausländische JUDr. erst zur Promotion.
Auf offiziellen Dokumenten achtet Borchert offensichtlich darauf, sich nicht einen Titel anzumaßen, den er nicht hat. Weitestgehend zumindest: Den Namen der Hochschule nennt er nicht.
In Branchendiensten wie anwaltsinfos.de , anwalt24.de und im Anwaltsverzeichnis von Foris wird er allerdings mit dem deutschen Doktortitel geführt. Die Münchener Rechtsanwaltskammer, die
sonst ein scharfes Auge auf dieses Thema hat, nennt in ihrem Mitgliederverzeichnis eine E-Mail-Adresse mit "dr.borchert@".
Ein Münchner Strafverteidiger erinnert sich an ein Verfahren, in dem er mit dem Mitverteidiger Borchert aneinandergeriet. "Für Sie immer noch Dr. Borchert!", habe ihn der Kollege in
öffentlicher Sitzung angeherrscht.
OLG München: Aussage von Beate Zschäpe für Dezember angekündigt