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Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde. Für eine Veranstaltung, die nie jemand für voll nahm, waren die Golden Globes ziemlich wichtig. Voll, könnte man sagen, war eher die aus den
größten Hollywood-Stars bestehende Gästeschar, die bei den Galas fröhlich becherte, sich über die Gemeinheiten von Vielfach-Moderator Ricky Gervais kringelig lachte und sich bei ihren
Dankesreden gegen Donald Trump (Meryl Streep 2017) und für den Klimaschutz (Russell Crowe) starkmachte. Wer welchen Preis gewonnen hatte, war immer zweitrangig. Aber so brutal nach unten
durchgereicht wie diese global bekannte Auszeichnung für Film und Fernsehen wurde noch keine Veranstaltung in der Geschichte Hollywoods. Was in diesem Jahr blieb vom Gerangel auf dem roten
Teppich, vom Blitzlichtgewitter und dem Auflauf der Stars, war ein Twitter-Gewitter, auf das niemand von Rang und Namen in der Traumfabrik reagierte. Kein gehauchtes »Oh my god!« von Kate
Winslet, die für ihre Rolle in der Miniserie »Mare of Easttown« ausgezeichnet wurde, kein Videoclip mit zumindest gespielter Begeisterung von Will Smith, der für seine Rolle im Kinofilm
»King Richard« als bester Schauspieler gekürt wurde. Schweigen, bis auf wenige Ausnahmen. Daran ist nicht nur die Omikron-Welle schuld, die die USA erfasst hat und auch andere Organisationen
in Hollywood zwingt, während der Preissaison ihre Veranstaltungen abzusagen. Statt mit einer Gala fand die Preisverleihung der Golden Globes in diesem Jahr in Los Angeles im Beverly Hilton
Hotel ausschließlich vor den Mitgliedern der Hollywood Foreign Press Association (HFPA) statt, die sie seit 1944 verleiht. Die Sieger wurden mit verkrampft-launigen Tweets bekannt gegeben.
Nein, Hollywood hat ganz grundsätzlich mit den Auszeichnungen der Organisation nicht amerikanischer Entertainment-Journalisten gebrochen, und die Tatsache, dass sie dieses Jahr überhaupt
vergeben wurden, könnte noch böse Folgen haben – namentlich die, dass der Boykott auch im kommenden Jahr nicht gelüftet wird. Denn der ausdrückliche Wunsch nicht nur des bis 2020
ausstrahlenden TV-Senders NBC war, die HFPA möge sich ein Jahr Auszeit nehmen, um ihre internen Probleme wirklich aufzuarbeiten. »Veränderung in dieser Größenordnung braucht Zeit und Arbeit,
und wir finden, die HFPA braucht diese Zeit, um das richtig hinzubekommen«, hatte der Sender der Organisation mit auf den Weg gegeben, als er im vergangenen Jahr bekannt gab, die Gala erst
einmal nicht mehr auszustrahlen. Vorangegangen war ein Enthüllungsstück der »Los Angeles Times« über bestechliche Mitglieder, die sich auf Filmsets einladen und beschenken ließen. Diese
Recherche über Bestechlichkeit bestätigte, was in Hollywood seit Langem ein offenes Geheimnis war, und beschleunigte den endgültigen Bruch des Entertainment-Adels mit der kleinen
Organisation, die sich abgesehen von ihrer jährlichen Gala nie durch journalistische Relevanz hervorgetan hatte. Schon davor war das Murren immer lauter geworden angesichts erratischer
Preisvergaben, bei denen regelmäßig Frauen, nicht weiße Kreative und herausragende Filme und Serien übergangen worden waren. Die Organisation bestand noch im vergangenen Jahr ausschließlich
aus weißen Mitgliedern. Hektisch gelobte die HFPA Besserung, wählte mit der deutschen Journalistin Helen Hoehne eine neue Präsidentin und nahm 21 neue Mitglieder auf, von denen sechs nicht
weiß sind. Insgesamt gehören ihr nun 103 Auslandsjournalisten an, unter ihnen auch jene, die sich von Netflix zu den Dreharbeiten der Serie »Emily in Paris« einladen ließen, samt
Unterbringung in einem Fünfsternehotel. EINE CHANCE BLEIBT NOCH Natürlich wurde die Edel-Soap im vergangenen Jahr gleich mit zwei Nominierungen bedacht. Übrigens haben sowohl Netflix als
auch Amazon Prime Video die Zusammenarbeit mit der HFPA bis auf Weiteres eingestellt. Auch Stars und andere Organisationen machten bis zuletzt deutlich, dass ihnen die Versuche der HFPA in
Sachen Transparenz und Diversität noch lange nicht ausreichen. Früher boten die Golden Globes Hollywood die Gelegenheit, sich selbst zu feiern, ohne den staatstragenden Ballast der steifen
Oscarverleihung. Ohne den Glamour großer Namen aber ist diese Veranstaltung ein Nichts. Und wenn die Stars nicht zurückkehren, wird die HFPA ihre Preise auch weiterhin unter Ausschluss der
Öffentlichkeit vergeben, auch nach Corona. Ganz einfach, weil sich die Öffentlichkeit dann nicht mehr für sie interessiert. Eine Chance haben die Golden Globes noch: Im kommenden Jahr feiern
sie ihren 80. Geburtstag. Ob es dann wieder ein rauschendes Fest mit berauschten Stars gibt? Dazu müsste die HFPA erst einmal zeigen, was sie bisher zu wenig erkennen ließ: echten
Reformwillen.