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Lange nicht beim Friseur gewesen? Daraus kann man doch was machen. So dachte wohl vor einem halben Jahrhundert John Lennon, Musiker, Friedensapostel und Inhaber einer eindrucksvollen
Kopfbewaldung. Er machte einen Deal: seine Haare und die seiner frisch Angetrauten Yoko Ono gegen die Boxershorts von Muhammad Ali.
Zum Tausch kam es am 4. Februar 1970, kurz vor Auflösung der Beatles, auf einem Dach in London. Dahinter steckte kein seltsamer Fetisch, sondern schnödes Kommerzinteresse. Denn weder wollte
Lennon das Höschen behalten, noch hatte der Boxchampion ernsthaftes Interesse an britischer Kopfbehaarung.
Vielmehr war es ein ausgeklügelter Plan zur Inszenierung prominenter Wohltätigkeit: Die Haare nämlich wollte man zugunsten des Londoner Black House versteigern, einer Black-Power-Gruppierung
um den selbst ernannten Anführer Michael X. Und die Shorts zugunsten der Friedenskampagne von John und Yoko verkaufen. Über die tatsächliche Verwendung der Gelder ist indes nichts bekannt.
Das Black House musste schließen und brannte unter mysteriösen Umständen nieder; Michael X wurde später als Mörder verurteilt.
Schon hundert Jahre früher stellte sich die Frage: Wieso sollten denn nur Friseure an Haaren verdienen? Warum nicht auch ein Putenzüchter? Und sollte nicht derjenige dafür bezahlen, der das
Haar schneiden darf – statt umgekehrt?
Auf solche Ideen kam Fletcher Sutherland. Er hatte eine Putenfarm im Niagara County, New York, von seinem Vater übernommen, doch sie machte viel Arbeit und brachte wenig ein. Sutherland
selbst sah sich eher als Prediger, Schriftsteller und Erfinder und stellte sich auch für seine sieben Töchter eine andere Zukunft vor als die Putenzucht.
Nach dem Tod seiner Frau 1867 änderte er das Geschäftsmodell und schickte seine Mädchen auf die Bühne. Wohin sie auch kamen, schnappte das Publikum nach Luft: Sarah, Victoria, Isabella,
Grace, Naomi, Dora und Mary konnten singen und spielten Instrumente – aber das interessierte niemanden. Was viel mehr Aufsehen erregte: Sie trugen ihre Haare offen.
Jede im Septett hatte eine überaus üppige Mähne, die normalerweise niemand zu sehen bekam. Das Haar einer Frau stand damals im Mittelpunkt sexuellen Interesses. In einer Zeit, als wegen
Krankheiten und mangels Medizin vielen Männern wie Frauen die echten Haare ausgingen, wurden extrem lange und dicke Haare zum ultimativen Symbol für Weiblichkeit und Leidenschaft.
Schriftsteller feierten sie in Romanen, sprachen ihnen magische Kräfte zu. Es blieb meist bei Fantasien, denn eine »anständige« Frau trug ihr Haar in der Öffentlichkeit stets
zusammengebunden oder gar bedeckt.
Was garantierte also im späten 19. Jahrhundert Aufmerksamkeit auf einer Bühne? Das Rapunzel-artig bodenlange Haar herunterzulassen.
Als »The Seven Wonders« schafften es die Ladys 1880 zu einem Auftritt am Broadway in New York City, gingen in den USA auf Tournee und reisten ab 1884 mit Barnum und Baileys »Greatest Show on
Earth« durch die Lande. Zu dieser Zeit konnten sie kaum mehr auf die Straße gehen, ohne einen Schwarm Verehrer wie die eigene Haarpracht hinter sich herzuziehen. Biograf Brandon Stickney
bezeichnete sie als Amerikas erste Promi-Models.
Der Vater setzte in Sachen Vermarktung noch eins drauf: Er erfand ein patentiertes Haarwuchsmittel. Für die Wirksamkeit garantierte neben den Töchtern mit ihrer beworbenen »37
Fuß«-Gesamthaarlänge (mehr als elf Meter) auch er selbst – mit seiner Glaubwürdigkeit als Prediger. Dafür zeichnete er mit seinem Titel »Rev. Fletcher Sutherland«.
Im ersten Jahr 1884 erzielte die Sutherland Sisters Corporation damit einen Umsatz von 90.000 Dollar, so die Schätzung des Museums Erie Canal Discovery Center. Bis 1890 hatten die Schwestern
– der Vater war inzwischen gestorben – rund 2,5 Millionen Flaschen des Mittels verkauft und mehr als drei Millionen Dollar eingenommen. Ihre Haarpflegeprodukte blieben über Jahrzehnte
erfolgreich.
Auch die »Seven Sutherland Sisters« hatten Geschäftssinn entwickelt: Laut Biograf Stickney soll ein Fan Victoria 2500 Dollar angeboten haben, um ihr alle Haare abzuschneiden. Sie lehnte ab,
verkaufte aber eine Strähne an einen Juwelier, der diese mit einem Diamanten versehen in sein Schaufenster hängte.
Wenn's im Lockdown länger dauert mit einem Friseurtermin, steigen auch die Chancen auf einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde: Bei der Haarlänge triumphiert bislang Xie Qiuping aus China
– 5,62 Meter, festgestellt am 8. Mai 2004. In einem einzigen Lockdown schafft man das nicht: Sie hatte schon 1973 begonnen, ihr Haar wachsen zu lassen.
Rapunzel, neu verfönt: Der amerikanische Putenzüchter Fletcher Sutherland machte Ende des 19. Jahrhunderts Haare zu Geld. Er ließ seine sieben Töchter mit Wallemähnen – Gesamtlänge gut elf
Meter – auftreten. Zirkusreif, so etwas hatte Amerika noch nicht gesehen, und mit Haarpflegeprodukten machte die Familie gute Geschäfte.
Der Haarschopf von John Lennon und Yoko Ono gegen blutige Boxershorts von Muhammad Ali: Der Deal klang nach einem schrägen Fetisch und brachte 1970 allen Beteiligten Publicity – auch dem
selbst ernannten Black-Power-Anführer Michael X (l.).
Rekordhalterin: DAS ist wahre Haarpracht. 5,62 Meter lang waren die Haare von Xie Qiuping 2004 beim Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde. Das ist länger, als die meisten ausgewachsenen
Giraffen hoch sind. »Es macht überhaupt keine Schwierigkeiten, ich bin daran gewöhnt«, sagte die Chinesin. »Doch bei einem solchen Haar muss man geduldig sein und eine gerade Haltung haben.«
Ab 1973, da war sie 13 Jahre alt, hatte sie es wachsen lassen.
Zopfwunder: Auch diese junge Inderin schaffte es 2018 ins Guinnessbuch der Rekorde – mit Zöpfen in der Länge von stattlichen 1,75 Metern. Nilanshi Patel, 16, hatte ihr Haar seit dem sechsten
Lebensjahr wachsen lassen und nennt es ihren Glücksbringer. Es wird einmal in der Woche gewaschen; das Trocknen dauert eine halbe Stunde, das Bürsten doppelt so lange. Nilanshi trägt ihr
Haar für gewöhnlich geflochten, bindet es zum Tischtennisspielen jedoch zu einem Dutt.
Der Grund, warum man Frauen im 19. Jahrhundert gern von hinten fotografierte, war die sexuell aufgeladene Bedeutung von extrem langem Haar. Eine lange dicke Mähne galt als Ausdruck
besonderer Weiblichkeit. Normalerweise bekam diese Pracht aber nur die eigene Familie zu sehen, denn...
...nach den damaligen Vorstellungen trug eine »anständige« Frau ihr Haar in der Öffentlichkeit zusammengebunden, bedeckt – oder gekräuselt und hochgesteckt, wie diese Dame um 1870.
Frauen, die sich die aufwendige Pflege leisten konnten, ließen ihr Haar wachsen, so lange wie es die Natur hergab. Nicht selten bis zu den Füßen, wie dieses Fotomodell um 1890.
Was wächst, das wächst – außer den Haaren bei diesem Mann auch der Bart. Um wen es sich handelt, ist bei der Aufnahme nicht überliefert.
Auch so konnte man als Musiker in den Sechzigerjahren die Haare tragen: US-Soulsänger Wayne Cochran (1939-2017) war für seine Extravaganz bekannt, beim Bühnenoutfit wie auch bei seiner
Frisur.
»Big Hair« kam in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts wieder in Mode, diesmal nicht als Langform, sondern hoch auftoupiert. Hier die australische Sängerin Noeleen Batley mit ihrer
Zwillingsschwester Carol 1961.
Viel Haar gefiel auch den Hippies: Ein junges Paar mit Dauerwelle 1967 bei einem Konzert in Windsor (Berkshire)
Und dann wurde es wild: Diese Frisur etwa trug man 1969 in der Redaktion von »Berkley Barb«, einer alternativen Zeitung der Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung in den USA.
Und damals gab es keinen Shutdown... Bei längerer Friseurabstinenz empfiehlt sich der Hippie-Trend.
Es sei denn, man mag es lieber geradlinig wie der Japaner Kazuhiro Watanabe, der mit seinem Iro-Spike von 1,23 Meter Höhe einen Weltrekord erzielte. Solche Frisuren eignen sich allerdings
nur in Wohnungen mit extrahohen Decken – und kommen am besten zwischen anderen Wolkenkratzern zur Geltung.
Rapunzel, neu verfönt: Der amerikanische Putenzüchter Fletcher Sutherland machte Ende des 19. Jahrhunderts Haare zu Geld. Er ließ seine sieben Töchter mit Wallemähnen – Gesamtlänge gut elf
Meter – auftreten. Zirkusreif, so etwas hatte Amerika noch nicht gesehen, und mit Haarpflegeprodukten machte die Familie gute Geschäfte.
Der Haarschopf von John Lennon und Yoko Ono gegen blutige Boxershorts von Muhammad Ali: Der Deal klang nach einem schrägen Fetisch und brachte 1970 allen Beteiligten Publicity – auch dem
selbst ernannten Black-Power-Anführer Michael X (l.).
Rekordhalterin: DAS ist wahre Haarpracht. 5,62 Meter lang waren die Haare von Xie Qiuping 2004 beim Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde. Das ist länger, als die meisten ausgewachsenen
Giraffen hoch sind. »Es macht überhaupt keine Schwierigkeiten, ich bin daran gewöhnt«, sagte die Chinesin. »Doch bei einem solchen Haar muss man geduldig sein und eine gerade Haltung haben.«
Ab 1973, da war sie 13 Jahre alt, hatte sie es wachsen lassen.
Zopfwunder: Auch diese junge Inderin schaffte es 2018 ins Guinnessbuch der Rekorde – mit Zöpfen in der Länge von stattlichen 1,75 Metern. Nilanshi Patel, 16, hatte ihr Haar seit dem sechsten
Lebensjahr wachsen lassen und nennt es ihren Glücksbringer. Es wird einmal in der Woche gewaschen; das Trocknen dauert eine halbe Stunde, das Bürsten doppelt so lange. Nilanshi trägt ihr
Haar für gewöhnlich geflochten, bindet es zum Tischtennisspielen jedoch zu einem Dutt.
Der Grund, warum man Frauen im 19. Jahrhundert gern von hinten fotografierte, war die sexuell aufgeladene Bedeutung von extrem langem Haar. Eine lange dicke Mähne galt als Ausdruck
besonderer Weiblichkeit. Normalerweise bekam diese Pracht aber nur die eigene Familie zu sehen, denn...
...nach den damaligen Vorstellungen trug eine »anständige« Frau ihr Haar in der Öffentlichkeit zusammengebunden, bedeckt – oder gekräuselt und hochgesteckt, wie diese Dame um 1870.
Frauen, die sich die aufwendige Pflege leisten konnten, ließen ihr Haar wachsen, so lange wie es die Natur hergab. Nicht selten bis zu den Füßen, wie dieses Fotomodell um 1890.
Was wächst, das wächst – außer den Haaren bei diesem Mann auch der Bart. Um wen es sich handelt, ist bei der Aufnahme nicht überliefert.
Auch so konnte man als Musiker in den Sechzigerjahren die Haare tragen: US-Soulsänger Wayne Cochran (1939-2017) war für seine Extravaganz bekannt, beim Bühnenoutfit wie auch bei seiner
Frisur.
»Big Hair« kam in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts wieder in Mode, diesmal nicht als Langform, sondern hoch auftoupiert. Hier die australische Sängerin Noeleen Batley mit ihrer
Zwillingsschwester Carol 1961.
Viel Haar gefiel auch den Hippies: Ein junges Paar mit Dauerwelle 1967 bei einem Konzert in Windsor (Berkshire)
Und dann wurde es wild: Diese Frisur etwa trug man 1969 in der Redaktion von »Berkley Barb«, einer alternativen Zeitung der Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung in den USA.
Und damals gab es keinen Shutdown... Bei längerer Friseurabstinenz empfiehlt sich der Hippie-Trend.
Es sei denn, man mag es lieber geradlinig wie der Japaner Kazuhiro Watanabe, der mit seinem Iro-Spike von 1,23 Meter Höhe einen Weltrekord erzielte. Solche Frisuren eignen sich allerdings
nur in Wohnungen mit extrahohen Decken – und kommen am besten zwischen anderen Wolkenkratzern zur Geltung.
Rapunzel, neu verfönt: Der amerikanische Putenzüchter Fletcher Sutherland machte Ende des 19. Jahrhunderts Haare zu Geld. Er ließ seine sieben Töchter mit Wallemähnen – Gesamtlänge gut elf
Meter – auftreten. Zirkusreif, so etwas hatte Amerika noch nicht gesehen, und mit Haarpflegeprodukten machte die Familie gute Geschäfte.
Der Haarschopf von John Lennon und Yoko Ono gegen blutige Boxershorts von Muhammad Ali: Der Deal klang nach einem schrägen Fetisch und brachte 1970 allen Beteiligten Publicity – auch dem
selbst ernannten Black-Power-Anführer Michael X (l.).
Rekordhalterin: DAS ist wahre Haarpracht. 5,62 Meter lang waren die Haare von Xie Qiuping 2004 beim Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde. Das ist länger, als die meisten ausgewachsenen
Giraffen hoch sind. »Es macht überhaupt keine Schwierigkeiten, ich bin daran gewöhnt«, sagte die Chinesin. »Doch bei einem solchen Haar muss man geduldig sein und eine gerade Haltung haben.«
Ab 1973, da war sie 13 Jahre alt, hatte sie es wachsen lassen.
Zopfwunder: Auch diese junge Inderin schaffte es 2018 ins Guinnessbuch der Rekorde – mit Zöpfen in der Länge von stattlichen 1,75 Metern. Nilanshi Patel, 16, hatte ihr Haar seit dem sechsten
Lebensjahr wachsen lassen und nennt es ihren Glücksbringer. Es wird einmal in der Woche gewaschen; das Trocknen dauert eine halbe Stunde, das Bürsten doppelt so lange. Nilanshi trägt ihr
Haar für gewöhnlich geflochten, bindet es zum Tischtennisspielen jedoch zu einem Dutt.
Der Grund, warum man Frauen im 19. Jahrhundert gern von hinten fotografierte, war die sexuell aufgeladene Bedeutung von extrem langem Haar. Eine lange dicke Mähne galt als Ausdruck
besonderer Weiblichkeit. Normalerweise bekam diese Pracht aber nur die eigene Familie zu sehen, denn...
...nach den damaligen Vorstellungen trug eine »anständige« Frau ihr Haar in der Öffentlichkeit zusammengebunden, bedeckt – oder gekräuselt und hochgesteckt, wie diese Dame um 1870.
Frauen, die sich die aufwendige Pflege leisten konnten, ließen ihr Haar wachsen, so lange wie es die Natur hergab. Nicht selten bis zu den Füßen, wie dieses Fotomodell um 1890.
Was wächst, das wächst – außer den Haaren bei diesem Mann auch der Bart. Um wen es sich handelt, ist bei der Aufnahme nicht überliefert.
Auch so konnte man als Musiker in den Sechzigerjahren die Haare tragen: US-Soulsänger Wayne Cochran (1939-2017) war für seine Extravaganz bekannt, beim Bühnenoutfit wie auch bei seiner
Frisur.
»Big Hair« kam in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts wieder in Mode, diesmal nicht als Langform, sondern hoch auftoupiert. Hier die australische Sängerin Noeleen Batley mit ihrer
Zwillingsschwester Carol 1961.
Viel Haar gefiel auch den Hippies: Ein junges Paar mit Dauerwelle 1967 bei einem Konzert in Windsor (Berkshire)
Und dann wurde es wild: Diese Frisur etwa trug man 1969 in der Redaktion von »Berkley Barb«, einer alternativen Zeitung der Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung in den USA.
Und damals gab es keinen Shutdown... Bei längerer Friseurabstinenz empfiehlt sich der Hippie-Trend.
Es sei denn, man mag es lieber geradlinig wie der Japaner Kazuhiro Watanabe, der mit seinem Iro-Spike von 1,23 Meter Höhe einen Weltrekord erzielte. Solche Frisuren eignen sich allerdings
nur in Wohnungen mit extrahohen Decken – und kommen am besten zwischen anderen Wolkenkratzern zur Geltung.