Brammo empulse r: fahrbericht über das elektromotorrad

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ERSTE EINDRUCK: Wow, ist die schick. Sportfelgen und edles Design - die Brammo Empulse R beweist, dass auch Elektromotorräder Stil haben können und nicht zwangsläufig aussehen müssen wie ein


rollendes Dixi-Klo. DAS SAGT DER HERSTELLER: Brammo bezeichnet die Empulse R als das "schnellste elektrische Serienmotorrad". Das gilt sowohl für die Höchstgeschwindigkeit, die


bei 177 km/h liegt, als auch für den Ladezyklus der Batterie. Nach gut drei Stunden an einer 230 Volt Haushaltssteckdose ist eine leer gefahrene Empulse R wieder voll einsatzfähig. Der


Hersteller aus dem Kleinstädtchen Talent in Oregon  legt noch einen drauf: "Wir reden hier nicht über ein elektrisches Pendlerfahrzeug oder einen E-Roller, sondern über ein echtes


Sportgerät. Auf der Landstraße macht kein Mittelklassemotorrad der Empulse R etwas vor", sagt Hans Eder, der Europa-Repräsentant von Brammo. Eder zählt bei der Übergabe des Exoten -


nach Deutschland werden in diesem Jahr ein paar Dutzend Stück geliefert, genaue Verkaufszahlen will Brammo USA nicht nennen - noch einmal die besonderen Vorteile auf: Echte


Beschleunigungspower durch den 40 kW E-Motor, 90 Newtonmeter Drehmoment direkt aus dem Stand - und das auf lange Distanz. Die Reichweite draußen auf der Landstraße, das bekräftigt Eder,


"liegt bei normaler Fahrweise sicher weit über hundert Kilometern". Der Brammo-Prospekt verspricht 130 Kilometer, in der Stadt soll die Empulse R mit ihren Lithium-Ionen-Akkus über


200 Kilometer weit kommen. An diese Worte werden wir uns später noch erinnern. DAS IST UNS AUFGEFALLEN: Die Empulse R hat ein kleines, funktionales Cockpit. Ein analoger Drehzahlmesser


ergänzt die digitale Anzeige von Geschwindigkeit, Gangwahl, Reichweite, prozentualer Batterieladung und der prognostizierten Reichweite. Die Kupplung ist zum Anfahren oder Anhalten nicht


nötig, da der E-Motor im Stand ja nicht läuft. Eingebaut ist sie trotzdem, zum Runterschalten des Sechsganggetriebes, mit dem der E-Motor im optimalen Drehmomentbereich zwischen 4000 und


5000 Umdrehungen pro Minute gehalten wird. Das klappt allerdings alles andere als optimal: Wenn das Getriebe kalt ist, schaltet es sich ziemlich hakelig. Im warmen Zustand ruckelt dagegen


beim Beschleunigen der komplette Antriebstrang aus Motor, angeflanschtem Getriebe und Kette zum Hinterrad. Bei unserer Testfahrt auf der Autobahn und Landstraße geht die Empulse wirklich gut


ab und knallt in rund viereinhalb Sekunden von null auf 100 km/h. Die Ergonomie stimmt, das Teil macht Laune. Aber dann beginnt der Stress. "Recharge Required", heißt es auf der


Anzeige. Laden? Kann doch nicht sein, oder? Doch, nach knapp 75 Kilometern sind nur noch neun Prozent Batterieladung vorhanden. Auf Schleichfahrt und mit drei Prozent Ladung erreichen wir


mit letzter Kraft das Ziel - die ersehnte Steckdose. Bei anschließenden Probefahrten wiederholt sich das Spiel. Auf der Empulse R kann man sich leider nicht auf die optimale Kurvenführung


konzentrieren, sondern muss immer auf die verbliebenen Energiereserven schielen. Die versprochenen Reichweiten sind trotz Normal- statt Sport-Modus und Rekuperation illusorisch: Wenn die


Empulse R zügig über die Dörfer fliegt, ist nach rund 75 Kilometern Schluss. Bei konservativer und absolut StVO-konformer Fahrweise kamen wir immerhin knapp 95 Kilometer weit. Die


angekündigten "weit über hundert Kilometer" waren dagegen nicht drin. Nach weiteren gemessenen Rundfahrten ergibt sich ein deprimierender Durchschnittwert: Pro gefahrenem Kilometer


verbraucht man draußen vor der Stadt, also dort, wo die Empulse richtig Spaß macht, ein Prozent der Batterieladung. Was sagt Brammo-Mann Eder dazu? "Wenn man Elektromotorrad fährt,


muss man sich umstellen, die Philosophie ändern: Entschleunigen - und öfter mal gezielt Pause machen." Nach einer dreiviertelstündigen Kaffeepause, so Eder, sei schon wieder Saft für 30


Kilometer Distanz geladen. Aber wer will das schon machen? Mit Freunden ins Grüne rausfahren, diese nach einer Stunde ins Café zwingen, und das voluminöse Ladekabel aus dem Rucksack holen.


DAS MUSS MAN WISSEN: In Wahrheit sind die derzeit erhältlichen Sport-Stromer wie die Empulse R Versprechen auf eine mögliche E-Zukunft mit effizienteren Batterien. Gegenwärtig jedenfalls


sind sie noch keine wirkliche Alternative zu einem kleinen sportlichen Allrounder mit Verbrennungsmotor, der bei höherer Leistung 25 Kilogramm leichter ist, um die drei Liter Sprit


verbraucht, und je nach Modell ab rund 5000 Euro zu haben ist. Die Empulse R mag sich in der Stadt und beim Pendeln in den Speckgürtel hervorragend schlagen: Doch sie kostet fahrbereit


17.493 Euro. DAS WERDEN WIR NICHT VERGESSEN: Wie viel Krach ein Elektrofahrzeug machen kann. Beim Beschleunigen dreht der E-Motor der Brammo hoch wie ein Industriestaubsauger. Im


Schiebebetrieb surrt es schrill bis unter 3000 Umdrehungen, da drehen sich alle an der Straße um. Und selbst an der Steckdose gibt die Empulse R keine Ruhe: Dort quirlt der Ventilator


nämlich im Dauerbetrieb.