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Ein Grabungsteam um den Archäologen Jaime Awe hat in den Ruinen der Maya-Stadt Xunantunich am 19. Juli einen Zufallsfund gemacht, der es verdient, mit Superlativen beschrieben zu werden:
Beim Versuch, eine Treppe zu einem höheren Gebäude freizulegen, stolperten die Ausgräber regelrecht über den Zugang zur größten Maya-Grabkammer, die seit gut hundert Jahren gefunden wurde.
Und die entpuppte sich noch in mehrfacher Hinsicht als ungewöhnlich. Nicht nur, dass das Grab völlig unberührt war, einen Leichnam und zahlreiche Grabbeigaben enthielt. Es war auch als
Bauwerk eine absolute Ausnahme - und nicht nur, was seine Größe angeht.
Die allein ist schon imposant genug. Unter einer Schicht von Schutt aus rund eintausend Jahren fanden die Forscher in einer Tiefe von drei bis neun Metern eine Kammerstruktur von viereinhalb
mal zweieinhalb Metern sowie einen Aufgang dahin.
Im Inneren lagen die Überreste der Leiche eines schätzungsweise 20 bis 30 Jahre alten Mannes. Wer da begraben liegt und woran er starb, weiß Archäologe Awe noch nicht. Offensichtlich sei
jedoch, dass der junge Mann zum Zeitpunkt seines Todes wohl von athletischem Bau gewesen war.
Und ein Armer war er auch nicht: Rund ums eigentliche Grab fanden die Forscher 36 Keramikgefäße, Jadeperlen, 13 Obsidianmesser sowie Knochen von Tieren, möglicherweise Jaguaren oder Rehen.
Am Fuß der Grabstruktur lagen zusätzliche Opfergaben: Dutzende von Obsidian- und Feuersteinwerkzeugen und Schneiden sowie zu Tiergestalten, Blättern und Symbolen zurechtgeschnitzte
Steinobjekte.
Ein reichhaltiger Fund, aber nicht das einzig Bemerkenswerte an der Entdeckung: Anders als bei Maya-Gräbern sonst üblich, scheint die Grabkammer von Xunantunich kein nachträglich angelegtes
Grab zu sein, das in der Nähe einer größeren Baustruktur angelegt wurde. Das Grabgebäude entstand vielmehr zeitgleich zu den umliegenden Gebäuden - was darauf hindeutet, dass hier die
größeren Bauten begonnen wurden, um das Grab zu umgeben.
Das kennt man von ägyptischen Königsgräbern, nicht aber von denen der Maya. Auch das deutet darauf hin, dass der Verstorbene besonders wichtig war. Awe vermutet ein Königsgrab aus der Zeit
um das Jahr 700 bis 800. Die ältesten Baustrukturen von Xunantunich werden auf ein Alter von rund 1300 Jahren taxiert, die jüngsten auf 1000. Kurz danach kollabierte das Reich der Maya aus
bis heute nicht gänzlich verstandenen Gründen.
Jaime Awe gräbt seit 1988 in Zentral-Belize nach den Spuren der Maya. Seit einigen Jahren widmet er seine Forschungstätigkeit vor allem der Anlage von Xunantunich, die der sogenannten
Kaan-Dynastie zugeordnet wird. Benannt ist die nach ihrem dynastischen Symbol, einem Schlangenkopf: "Schlangen-Dynastie" ist eine landläufig gebrauchte Übersetzung des Namens dieses
Herrschergeschlechts.
Was das vermutliche Königsgrab von Xunantunich anging, wollte Awe auf die Peer Review durch Archäologenkollegen jedoch nicht warten: Xunantunich, das auch zu den populärsten
Sehenswürdigkeiten des Landes gehört, wird seit 1890 erforscht. Bisher ist dort aber noch kein einziges Grab entdeckt worden.
Bereits in der Woche nach der Entdeckung berichteten Medien in Belize und anderen Ländern Mittelamerikas deshalb ausführlich von den Funden, die schon bald von ersten Fachmedien aufgenommen
wurden . Ein cleverer Zug, denn die griffige Nachricht von der ungewöhnlichen Grabkammer sichert Awe Aufmerksamkeit für den archäologisch-historisch wertvolleren Fund der neuen
Hieroglyphen-Funde: Die, verspricht Awe, könnten weitere, wertvolle Informationen zur Familiengeschichte der Schlangen-Herrscher liefern.
Xunantunich: Die Ruinen im Süden von Belize gehören zu den bekanntesten Touristenattraktionen des Staates - und zu den bemerkenswertesten Überresten der Maya-Kultur.
Von besonderer Qualität sind vor allem die Fresken und Hieroglyphen von Xunantunich. Die gelten seit Mitte des 20. Jahrhunderts als entschlüsselt. Mayas nutzten Logogramme - bildhafte
Darstellungen, die entweder für gesamte Worte stehen konnten, oder als Zeichen für bestimmte Silben zu Worten "montiert" wurden.
Tempel in Xunantunich: Die typisch pyramidenförmigen Bauten erreichen dort heute noch 40 Meter Höhe. Ihr Alter wird auf etwa 1300 Jahre taxiert.
Die Grenzen zwischen Ornamentik und Information scheinen bei den aufwändig gestalteten Wänden und Stelen mitunter fließend.
Blick vom Tempel auf die Reste der Stadtanlage: Xunantunich war wohl nicht nur Kultstätte, sondern eines von zwei Machtzentren der Kaan- (Schlangen-) Dynastie im heutigen Belize.
Stelen aus Xunantunich: Die in Stein gemeißelten Informationen machen die Erbfolgen und Ereignisse aus der Geschichte der Kaan nachvollziehbar. Einige Fresken erzählen von einem Ballspiel
mit abschließender Exekution des Verlierers - eine Form des sportlichen Stellvertreterkrieges, der direkt zwischen Maya-Fürsten ausgetragen wurde statt zwischen Armeen.